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Das Ausland. 1,2.1828


Jede Abhandlung muß die summarische Auseinandersetzung der Hauptprincipien der betreffenden Wissenschaft enthalten, die nöthigen Beweise und Aufklärungen, so wie die praktischen Anwendungen der gegebenen Principien und Theorien, endlich, so weit es möglich ist, eine Darstellung der oft auf Schein und Täuschung beruhenden Momente der Wissenschaft.

Das mit der Leitung beauftragte Comite begann mit der Bestimmung der verschiedenen Abtheilungen und Unterabtheilungen des gesammten menschlichen Wissens. Es ging dabei von dem Wunsche aus, daß jeder selbstständige Theil einer Wissenschaft der Gegenstand einer besondern Abhandlung werden möchte. Im Fall die Wichtigkeit des Gegenstandes es erforderte, sollte die Haupt-Abhandlung noch von einer Ergänzungs-Abhandlung begleitet werden.

Jede Abhandlung sollte auf einen Raum von 32 Seiten in groß Octav mit zwei Columnen beschränkt, (so daß sie etwa 100 gewöhnlichen Octavseiten gleich käme) und mit, dem Texte beigedruckten Holzschnitten verziert werden. Der Preis jeder Abhandlung ist auf 6 Pence, oder ungefähr 18 Kreuzer festgesetzt, welcher bei einer größern Verbreitung noch niedriger gestellt werden soll. Regelmäßig am 1ten und 15ten jeden Monats soll eine Abhandlung erscheinen.

Die Hand, welche in dem ineinandergreifenden Räderwerk englischer Betriebsamkeit diese ungeheure Maschine zur Beförderung des intellectuellen, sittlichen und gesellschaftlichen Zustandes seiner Mitbürger ins Leben rief, war auch die, welche sie in Bewegung setzte: die erste Abhandlung, welche erschien, war aus Brougham’s Feder geflossen. Seine Vorlesung über den „Zweck, die Vortheile und Annehmlichkeiten der Wissenschaft“ dient als Einleitung für die Reihe von Abhandlungen über die zur Physik gehörenden Wissenschaften, mit welchen die Gesellschaft die Ausführung ihres Plans zu beginnen beschlossen hatte. Der Verfasser bezeichnet die Haupteintheilungen des menschlichen Wissens; er entwickelt die Natur und den Gegenstand der reinen Mathematik, Arithmetik, Geometrie, Algebra, dann die verschiedenen Zweige der von den Engländern sogenannten natürlichen Philosophie; und stets mit Glück findet und beschreibt er hiebei die wichtigsten Anwendungen dieser Wissenschaften auf die Bedürfnisse und Gewohnheiten des gesellschaftlichen Lebens.

Dieser Einleitungsschrift folgten bald zehn andere Abhandlungen: 1) Hydrostatik. 2) Hydraulik. 3) Pneumatik. 4) Wärmelehre. 5) Mechanik: 1te Abhandlung: von den mechanischen Kräften; 6) 2te Abhandlung: Elemente der Maschinenkunde. 7) 3te Abhandlung: Von der Reibung und der Anspannung der Saiten. 8) Von der thierischen Mechanik. 9) Auszug aus Baco’s novum organum. 10. Optik.

Der in diesen Abhandlungen herrschenden klaren, einfachen Behandlungsart muß man das nämliche Lob ertheilen, wie der Brougham’schen Einleitungsschrift. Auf jeder Seite erkennt man die Meister der Wissenschaft. Der Verschluß dieser Abhandlungen ist vielleicht der beste Beweis ihrer Nützlichkeit, denn wenn das Volk sie kauft, so liest es sie; fährt es fort, sie zu lesen, so versteht es sie auch, und die Gesellschaft hat ihren Zweck erreicht. Nun ist es bekannt, daß von Brougham’s Einleitungsschrift in Zeit von vier Monaten dreißigtausend Exemplare verkauft wurden. Von den folgenden Abhandlungen wurden gleich bei ihrem Erscheinen fünfzehntausend Exemplare abgesetzt, und der Verschluß nimmt noch immer so reißend zu, daß man die Zahl der Leser wenigstens auf fünfzigtausend anschlagen darf. Dem rühmlichen Beispiele der Britten ist in Frankreich die Gesellschaft zur Verbreitung des Elementar-Unterrichts gefolgt, und beide Nationen zeigen dem – in Sachen des Unterrichts zum Theil weiter vorgerückten Deutschland, wie die Wissenschaft angewendet werden muß, um für das Leben selbst die schönsten und belohnendsten Früchte zu tragen.



Das Grabmal Boccaccio’s.

Die Behauptung Byron’s im Childe Harold, daß Boccaccio’s Grabmal in seiner Vaterstadt Certalda aus religiösem Fanatismus zerstört worden sey, scheint die guten Certaldesen sehr in Harnisch gebracht zu haben. Nachdem bereits ein Canonicus Cateni in zwei Briefen gegen die Ungerechtigkeit dieser Beschuldigung protestirt hatte, ist neuerdings noch eine eigene Schrift über denselben Gegenstand erschienen (Esame critico intorno al Sepolcro di Mess. Giovanni Boccaccio, scritto dal sig. Ab. de Povèda, Colle, 1827.8.) aus der hervorgeht, daß das echte Grabmal des Boccaccio, ein flacher Stein, in welchen das Bildniß und das Wappen des Dichters eingegraben ist, im Jahr 1783 keineswegs vernichtet, sondern nur von seiner Stelle, im Fußboden der Kirche, entfernt und durch die Bemühungen einer edlen Dame, in dem eignen Hause Boccaccios aufbewahrt worden sey, und noch gegenwärtig aufbewahrt werde. Aber weder der gelehrte Canonicus, noch der eben so gelehrte Abbate haben die Frage beantwortet, ob man nicht das Recht hat, ein Grabmal zerstört zu nennen, wenn der Stein, der dasselbe bedeckt, von seiner Stelle entfernt wird? Die Veranlassung dazu soll übrigens nicht Fanatismus, sondern ein bloßes Mißverständniß gewesen seyn, das indessen den Certaldesen so wenig zur Ehre gereichen möchte, als jener. Der Großherzog Leopold hatte nämlich das menschenfreundliche Verbot erlassen, die Todten da zu begraben, wo die Lebendigen gehen (die seppellire i morti dove passeggiano i vivi); dieß nahmen die scharfsinnigen Väter von Certalda wörtlich und warfen die seit Jahrhunderten modernden Gebeine ihrer Voreltern, die unter den Kreuzgängen ihrer Kirchen begraben lagen, ohne Umstände heraus (während sie fortfuhren, kürzlich Verstorbene in den Kirchen zu beerdigen, nur nicht an Stellen, wo die Lebenden gehen konnten).

Antologia di Firenze, Vol. XXVIII. p. 75 sqq.




Tasso’s Monument.

Es ist der Plan im Werke, dem Sänger des befreiten Jerusalems endlich ein seiner würdiges Monument zu errichten, und zwar in der Kirche S. Onofrio zu Rom. Der Plan ging zunächst von dem Ritter P. E. Visconti aus: die Zeichnung ward von dem Bildhauer Joseph Fabris entworfen. Alle Bewunderer des Dichters sind zur Theilnahme eingeladen. Graf Dominico Lavaggi in Rom leitet die in den Hauptstädten Europas eröffneten Subscriptionen.

Rev. enc. Fevr. 1828.


Empfohlene Zitierweise:
: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 424. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_442.jpg&oldid=- (Version vom 11.4.2023)