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Das Ausland. 1,2.1828

ziemlich weniges; dem Irländer fehlt weder Kraft noch Geschick; überdieß haben die meisten jener Emigranten von ihrer Kindheit an in Irland Leinwand weben sehen, und selbst gewoben, so daß sie in wenigen Tagen jede Art von Geweben erlernen können.

Diese Ueberschwemmung von Arbeitern bedroht England wie Schottland. Entweder muß man jene Unglücklichen mit bewaffneter Hand aus den Nachbarprovinzen des gemeinsamen Staates jagen, oder muß die ganze arbeitende Classe Englands und Schottlands, d. h. der reichsten und industriösesten Länder Europas, sich dazu bequemen, in Hütten zu wohnen, und von Wasser und Kartoffeln zu leben.

Diese Lage der Dinge hat die Blicke des englischen Parlaments auf sich gezogen. Es ward der Vorschlag gemacht, einen allgemeinen Plan zur Colonisation anzunehmen, nach welchem arbeitslose, sonst aber gesunde Familien nach einer der zahlreichen englischen Colonien gebracht werden sollen, wo es noch viele Länderstrecken zu cultiviren gibt. Wenn viele dürftige Familien diesen Weg einschlügen, wo würde das Mutterland von vielen Armen befreit, welche es nun unterstützen muß, und zugleich würden die, welche zurückbleiben, wegen der verminderten Anzahl, desto eher Arbeit bekommen. Die Hauptschwierigkeit bildet die Herbeischaffung der Kosten der Ueberfahrt und des Unterhaltes jenseits des Meeres bis dahin, wo die Familien von ihren Ernten werden leben können. Man glaubt, daß die Kirchspiele, die durch Herkommen und Gesetz verpflichtet sind, für ihre Armen zu sorgen, ihre Rechnung dabei finden würden, wenn sie den Armen, um sich ihrer zu entledigen, den nöthigen Vorschuß gäben, gegen die Garantie, daß sie diesen Vorschuß nebst Interessen wieder zurück erhalten sollten. Dieß ist der Gegenstand der vorgeschlagenen legislativen Maßregeln, die einer Spezial-Commission zur nähern Prüfung übergeben wurden. Um mit der Umsicht zu Werke gehen, welche man in England, wie es überall geschehen sollte, auf dergleichen Angelegenheiten wendet, ging die Commission in eine Untersuchung ein, welche vom Februar bis Juni 1827 dauerte.

(Fortsetzung folgt.)

Lyon’s Reisen in Mexico.


(Fortsetzung.)

Lyon hatte die Ehre, die Dame des Hauses einigemal zum Spieltische zu begleiten, er auf der einen, ein Freund auf der andern Seite derselben – unter dem Vortritt dreier Zofen, von denen eine, indianisch gekleidet, ihre Gebieterin mit Cigarren versehen mußte. Hier war Francesca, nachdem sie ein paar zerlumpte Weiber von der einzigen Bank an diesem Orte verdrängt, bald in vollem Spiel begriffen. Damen mit unächten Edelsteinen und Weiber von allen Schattirungen und Farben, unter einem bunten Gemisch von Männern, hatten sich hier zu ihrem Lieblingsspiel [1] eingefunden; und Francesca, der es gelang, die Kugeln unter ihre Leitung zu bekommen, drehte und kehrte Körper und Hände, wie sie es für einen glücklichen Erfolg zuträglich hielt. – Bei allen Ständen Mexicos findet man eine auffallende Gleichgültigkeit bei Spielverlusten, und einen gleichen Grad von Apathie beim Gewinnen. Sie spielen aber so viel, daß man annehmen muß, alle Aufregung bei dieser gefährlichen Leidenschaft ersterbe allmälig, und die Spiellust werde mehr Krankheit als angenehmer Zeitvertreib.

Mit Vergnügen lesen wir, daß in Tampico bereits eine Lancaster’sche Schule besteht, und von zweihundert Knaben und Mädchen besucht wird, denen der Gebrauch der spanischen Bibel unbedingt gestattet ist. Tampico und seine zwei Schwesterstädte haben seit der Zeit der mexicanischen Unabhängigkeit eine sehr bedeutende Wichtigkeit gewonnen.

„Ein lebhafter Handel,“ bemerkt unser Berichterstatter, „wird mit den Vereinigten Staaten unterhalten, deren kleine Fahrzeuge leicht über Untiefen hingleiten, die unsern schwerern Kauffahrteischiffen sehr viel zu schaffen machen.“

Wir begleiten unsern Reisenden von Tampico nach San Luis Potosi. Als ein Beleg für die grobe Unwissenheit, die noch in jenem Theil von Mexico herrscht, führt er an, daß der Besitzer eines bedeutenden Grundeigenthums glaubte, Spanien und Europa seyen blos verschiedene Benennungen desselben Landes, London sey eine für sich bestehende Nation, England eine kleine Provinz davon, beide aber liegen in einer fernen Ecke des spanischen Königreichs. Frankreich meinte er sey nur ein anderer Name für Panama. – „In San Luis wird beinah an jeder Ecke Pulque feil geboten. Die Wirkung desselben ist oft sehr auffallend. Dem übermäßigen Genusse dieses und anderer geistiger Getränke sind wohl die häufigen und blutigen Händel und die Mordthaten, hauptsächlich unter den niedern Classen zuzuschreiben; letztere führen Dolche unter der Jacke, obgleich das Tragen von Waffen ausdrücklich durch die Gesetze verboten ist. Auf den gerigsten Anlaß stößt oft einer den andern nieder; so fielen während meines Aufenthalts in San Luzis am hellen Tage zwei Mordthaten der Art vor. Der Mörder wird nach einigen Tagen Gefängnißstrafe wieder in Freiheit gesetzt, um neue Frevel zu verüben. Zuweilen, aber selten, wird einer als überwiesen nach Veracruz abgeführt. Eine der schon erwähnten Mordthaten fand in Folge eines Streits zwischen zwei Individuen aus verschiedenen Dörfern statt, von denen jeder für seine Dorfgenossen das Verdienst ansprach, der Jungfrau bei dem Frohleichnamsfest den größten Blumenstrauß gespendet zu haben. Um der Sache ein Ende zu machen, erstach einer den andern mit der größten Kaltblütigkeit, wischte sein Messer und ließ sich ins Gefängniß abführen, überzeugt, in wenig Tagen wieder auf freiem Fuße zu seyn. Als weitern Beweis für die schlechte Beschaffenheit der Gesetze in den nördlichen Theilen der Republik Mexico in dieser Periode führe ich folgenden Vorfall an. Ein Deutscher hatte vor kurzem auf dem Wege nach Durango einen Räuber, von dem er angefallen worden war, niedergeschossen. Dafür

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: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 434. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_452.jpg&oldid=- (Version vom 28.2.2023)
  1. Gamble-table, das Kugelspiel.