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Das Ausland. 1,2.1828

Das Ausland.
Ein Tagblatt
für Kunde des geistigen und sittlichen Lebens der Völker,
mit besonderer Rücksicht auf verwandte Erscheinungen in Deutschland.

Num. 113. 22 April 1828.

Briefe aus Persien.

Jede Nachricht über den Zustand von Persien muß in diesem Augenblicke, wie der Abschluß des Friedens mit Rußland dieses merkwürdige Land dem europäischen Interesse näher gerückt hat, als dieß seit den Zeiten des macedonischen Alexanders der Fall war, uns besonders willkommen seyn; um so angenehmer ist es uns, daß die neueste Numer der Literary Gazette uns in den Stand setzt, unsern Lesern eine Correspondenz aus Tauris über die Begebenheiten vom 24ten Oct. bis zum 25ten Nov. des vor. Jahrs mittheilen zu können, die uns äußerst characteristisch zu seyn scheint. Der Herausgeber des genannten englischen Journals bemerkt bei dieser Gelegenheit, daß andere Briefe aus St. Petersburg, wie von der persischen Grenze, die er erhalten habe, die wichtigsten Aufschlüsse über die neuesten Ereignisse gäben, und er bedaure, daß es ihm nicht erlaubt sey, dieselben in ihrem Detail bekannt zu machen. Alles beruhe indessen auf dem persönlichen Caracter des russischen Monarchen; und über diesen stimmen alle Urtheile auf das rühmlichste überein. „Der Kaiser,“ sagt ein Schreiben, „dessen Character wir in jeder Beziehung mehr als gewöhnliche Achtung schuldig sind, der Kaiser wird wahrscheinlich eine glückliche Regierung haben; gewiß verdient dieß nie ein Fürst in höherem Grade. Seine Gesinnungen sind so groß und edel, und sein öffentliches, wie sein Privatleben so männlich, so würdig, daß er als das Muster eines Gentleman und Monarchen betrachtet werden kann. Diese Meinung ist nicht blos meine eigene, obwohl durch meine persönlichen Erfahrung bestätigt, sondern dieselbe, die ich von allen fremden Ministern höre, welche die strengsten Beobachter seines Benehmens sind und die ihn in Tagen der Gefahr, wie in Stunden des Vergnügens gesehen haben.“


Mittwoch den 24 October. Diesen Morgen kamen Briefe von Sofian, an den Aga Reza und andere Häupter der Abtheilungen (kud khudas) von Tauris; sie waren von den Söhnen des Häuptlings von Merand, Nussur Ali Khan, geschrieben und benachrichtigten die Bewohner dieser Stadt von dem beabsichtigten baldigen Vorrücken der russischen Macht, die vor einigen Tagen in den genannten District eingerückt war. Es wurde darin der Rath ertheilt, keinen Widerstand zu bieten; denn wenn die Einwohner sich ruhig verhielten, so würde weder ihr Leben, noch Eigenthum die geringste Gefahr laufen. Diese Brief wurden aufgefangen und dem Assuf ed Daulah (Premierminster) Ala yar Khan gebracht, der sogleich die Personen, an welche sie gerichtet waren, vor sich fordern ließ, und sie beschuldigte, den Feind in die Stadt eingeladen zu haben. Die Kud khudas wiesen diese Anklage in den stärksten Ausdrücken zurück; aber da der Inhalt der Briefe öffentlich bekannt wurde, so ward die Wirkung, welche sie wahrscheinlich hervorbringen sollten, hierdurch vollkommen erreicht. Später an demselben Morgen kam ein Ghollam des Schahs von Sofian. Er berichtete, daß eine starke russische Avantgarde in diesem Dorfe eingetroffen wäre, als er dasselbe verließ. Von diesem Augenblick an verbreitete sich die äußerste Unruhe durch alle Quartiere von Tauris. Die Einwohner der Vorstädte sah man herbeiströmen, um innerhalb der Mauern eine Zuflucht zu finden; während die Bürger in geringerer Anzahl aus denselben zu entkommen und das Weite zu gewinnen suchten. Furcht und Unruhe waren auf allen Gesichtern ausgedrückt. Die Nachricht von der Annäherung der russischen Armee verfehlte auch auf die Arrak- und Mazanderoun-Truppen nicht ihre Wirkung, die der Schah, 6000 Mann stark, zur Vertheidigung der Stadt bestimmt hatte. Man sah sie, ruhig ihr Vieh beladen und in kleinen Abtheilungen den Weg nach Teheran einschlagen. Diese Bewegung wurde bald allgemein und vor Mittag hatte beinahe das ganze Corps die Stadt verlassen; nur wenige von den Anführern und den Muthigsten ihrer Leute blieben noch darin zurück.

Ala yar Khan wurde erst spät von der Desertion seiner Truppen unterrichtet. Man glaubt, daß diese Unruhe durch die Drohungen der Einwohner von Tauris vermehrt wurde, welche außer dem alten Haß, den sie gegen die Bewohner der südlichen Provinzen nährten, noch einen anderen Grund hatten, auf die Beschleunigung des Abzuges ihrer Vertheidiger zu dringen, indem sie fürchteten, daß sie die Stadt entweder selbst plündern würden, ehe sie dieselbe verließen, oder sie durch eine nutzlose Vertheidung einer üblen Behandlung von Seiten der Russen aussetzen könnten. Als Ala yar Khan ihre Flucht erfuhr, konnte er nur einige von ihren Anführern und sein eigenes Gefolge ihnen nachsenden, um sie aufzuhalten. Im ersten Zorn gab er dem Volk von Tauris den Befehl, sie gleichfalls zu verfolgen und zu plündern. Kaum war dieß geschehen, als eine Anzahl der bewaffneten Bürger die Südländer, die noch auf ihrem Posten geblieben waren, angriff und des Ihrigen beraubte. Um ein Uhr waren nur noch Wenige von den 6000 übrig. Vierhundert wurden zwar zurück gebracht und in der Citadelle (Ark) eingeschlossen, um eine zweite Flucht zu verhüten; aber als man das Thor derselben, welches in die Stadt führt, verschloß, vergaß man lächerlicher Weise, daß das alte Gebäude noch ein zweites hatte, und aus diesem säumten sie denn nicht zu entwischen. Die Arraks waren meist zwischen den äußern und innern Mauern gelagert gewesen; bei ihrem übereilten Rückzuge ließen sie viele ihrer Zelte und

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: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 449. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_467.jpg&oldid=- (Version vom 7.3.2023)