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Das Ausland. 1,2.1828

Erscheinungen offenbart. Darauf folgen die Geister, erstlich die reinen (Tängri), zweitens die unreinen und feindseligen (Assuri): jene den Gipfel, diese den Fuß des im Mittelpunkt der Welt gelegenen Bergs Sümmer bewohnend, mit einer in alle menschlichen Angelegenheiten freundlich oder feindlich eingreifenden Thätigkeit, die sich in Häusern, an Flüssen, an Quellen, auf Bergen zu erkennen gibt. Sodann die Menschen und die Thiere auf der Erde, die Ungeheuer der Vorhölle (des Birids) nebst der Behausung des Assuri Erlik-Chans in einem Palast mit sechszehn eisernen Mauern, den die Fegfeuer des Birids umgeben, und endlich die Höllengeschöpfe im Abgrund. Diese in sechs Classen eingetheilte Wesen stehen unter einer unabänderlich bestimmten Weltordnung, d. h. in bestimmter Abstufung von gut und böse und in einem steten Geburtswechsel, vermöge dessen sie von einer Klasse in die andere durch Seelenwanderung übergehen. Der Kreis dieser Veränderungen heißt Ortschilang, d. i. das unermeßlich stürmische Weltmeer. Am Ufer desselben, keiner weitern Seelenwanderung unterworfen, sind die vollendeten Buddas. Allein alle Wesen vom obersten Tängri bis zum untersten Höllengeschöpf haben die Bestimmung, aus dem Ortschilang ans Ufer zu gelangen, d. i. durch Seelenwanderung zur Buddawürde aufzusteigen. Haben alle Wesen dies Ziel in der vollendeten Weltperiode von Millionen Jahren (Galap oder Kalpa erreicht, und sind in Budda zusammengeflossen, dann zerfließt Budda selbst wieder in das uranfängliche All-Eins. Bis dahin aber vergehen tausend Zeiten, jede unter der Regierung eines Budda. Jetzt ist die vierte Zeit unter dem Budda-Schagdschamuni. Dieser verließ zu Anfang derselben den Göttersitz, ward im Reiche Magade im Mittelindien geboren, um Lehrer und Wiederhersteller der Wesen zu werden, durch Erlösung derselben aus dem Ortschilang; achtzig Jahre lang verweilte er in dieser Hülle und verließ sie, nachdem er als Budda vollendet hatte, um die Weltregierung für die Dauer seiner Periode anzutreten. Einst sandte er zur Ergänzung seiner Lehre den göttlichen Chomschin-Boddißadoa in das Schneereich Tangub (Tibet), dem er die berühmte Gebetformel [1] om-mai-mi-pad-mä-chum mitgab.

Sie ist die Wurzel aller Wahrheit, der Weg zur Errettung aller Wesen, und das bloße, ja ein einmaliges Aussprechen derselben giebt unendliches Verdienst bei Budda-Schagdschamuni. Um die Segnungen dieses Gebets zu vervielfältigen, sagen es die Kalmücken nicht nur, den Rosenkranz in der Hand, unzählige mal her, sondern fast in jeder Hütte findet man das Kürdu [2] oder Gebetsrad.

Chomschin, nächst dem, der ihn gesandt, der gefeyertste aller Buddas in Tibet, erscheint beständig verkörpert in der Person des Dalai-Lama, welcher, wie einst Chomschin selbst – auf dem Berge Putala in einem großen Kloster seinen Sitz hat und vom Volke göttlich verehrt wird. Der Bogdo- (Groß) Lama in Teschilunbo ist gleichfalls ein verkörperter Budda; überhaupt wird in allen Lamas eine buddaische Seele verkörpert gedacht. Westlich von Tibet liegt das Reich Sukawadi, der Belohnungsort ausgezeichneter Frommen, die sich zum Rang unvollendeter Buddas erhoben haben und nun in der Person von Lamas zur irdischen Wiedergeburt herabsteigen. Eben so wohnen bessere Seelen auch in der niedern Geistlichkeit und in den Fürsten. Alle Seelen aber steigen in ihrer Verkörperung durch gute Werke in eine höhere Classe, oder sinken durch böse in eine niedere herab. Als verdienstlich gelten übrigens den Buddisten nicht jene Selbstpeinigungen und Büßungen, welche die hindustanischen Fakirs üben, sondern die guten Werke der Barmherzigkeit gegen alle lebenden Wesen ohne Maß und Ziel, die genaueste Beobachtung der vorgeschriebenen Gebräuche und die Verehrung der Geistlichkeit. Denn die erhabensten drei Kleinodien (Aerdäni), woran also an dem Inbegriffe alles Verehrungswürdigen das Volk festzuhalten angewiesen, sind vereinigt im Lama.[3]




Schwedische Volkslieder.


(Fortsetzung.)

 10.
     Stolz Botelid als Stallknecht.
Stolz Boetelid sie reitet zum Königssaal
Thut Noth meinem König ein Knecht im Stall?
Sie sprach: Lust hab’ ich zu reiten.


  1. Alle Reisenden von Pallas an sprechen von dieser Gebetsformel, deren wörtliche Bedeutung niemand kennt. Turner (Ambassade au Thibet Tom. I. pag 152 fand sie auf seiner Reise durch Butan und Tibet überall in Stein und hohen Felsen mit großen Lettern eingehauen oder zusammengesetzt aus Steinen, welche so große Züge bildeten, daß die Worte nur aus der Ferne gelesen werden konnten.
  2. Dieses besteht aus hohlen hölzernen Cylindern von verschiedener Größe, mit tangud’schen Schriften angefüllt. Ein solcher Cylinder ist roth angestrichen, mit erhaben gearbeiteten vergoldeten Sanskrit-Charakteren verziert, welche gemeiniglich die obige Formel enthalten, und steckt an einer eisernen Spindel, welche durch einen vierseitigen Rahmen geht, der sich zusammen legen läßt, und im Kleinen ganz wie ein Scheerramen der Weber gestaltet ist. Auf den untern Kreuzhölzern des Rahmens befindet sich ein Grübchen, in welchem die Spindel mit den Cylindern läuft, diese wird mittelst eines an einer kurbelartigen Biegung der Spindel befestigten Riemchens in Schwung gesetzt, so daß sich der Cylinder innerhalb des Rahmens gleich einem Schleifstein, jedoch aufrecht stehend, mit der Spindel um seine Axe dreht. Der Verfasser selbst besaß zwei große Kürdus, in welchen allerhand tangud’sche Schriftblätter an einander geklebt und um die Spindel innerhalb des Cylinders aufgerollt waren, deren Länge mehrere hundert Arschinen, (die Arschine = 5/4 Ellen leipziger Maß) betrug. Ueberzeugt, daß das Geräusch der unzähligen Gebetsformeln, die man so bewegt oder vom Winde bewegen läßt, zu den Göttern gelange und Segen zurückbringe, besitzen die Mongolen durch die freilich sonderbare Erfindung des Gebetsrads eine Maschine, die, da sie das om-ma-mi-pad-mä-chum vielleicht zehntausendmal enthält, die Betkraft von eben so viel Maschinen in sich vereinigt, wodurch also das Gebet fabrikmäßig ins Große betrieben werden kann.
  3. Außer den Lamas, den Oberpriestern gibt es Priester (Gellongs), Diakone (Gezülls), Schüler (Manschi); ihre Anzahl ist bei allen Horden sehr groß. Sie leben sämmtlich im Coelibat. Das gemeine Volk hält sie für Wesen höherer Art. Ihre Bildung beschränkt sich bei den Kalmücken auf das Lesen ihrer heiligen Formeln und Schriften in tibetanischer Sprache, welche von wenigen verstanden wird.
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: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 451. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_469.jpg&oldid=- (Version vom 26.4.2023)