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Das Ausland. 1,2.1828

nicht betreten, kaum würde ihnen Lithauen nach geschlossenem Frieden geblieben seyn. – für das Wohl und die Ruhe Europas ist zu wünschen, daß der Hof diese Gesinnungen der Nation und des Heeres theile.

An Preussen reiht sich ein zertrümmerter Staat, dessen Andenken im Herzen aller Eingebornen fortlebt. Friedrich Wilhelm III besaß die Hauptstadt Polens und einen Theil der besten Provinzen, deren sich jetzt Rußland bemächtigt hat; doch hat der König noch einige dieser Trümmer sich erhalten. Es wäre die höchste Politik, die alte Schutzwehr des Orients wieder aufzurichten, und dadurch einen langen Frieden zu gründen. Europa hatte seine Blicke auf Preussens königliches Haus gerichtet; ihm wollte es das Schicksal einer edlen Nation anvertrauen (?). Die persönlichen Tugenden des Königs könnten ihm das Vertrauen seiner früheren Unterthanen wieder gewinnen. Ein schönes Königreich ließe sich zwischen der Oder, der Düna und der Abdachung der Karpathen errichten. – Folgen wir diesem Traum: die Mündungen der Donau sollten zur Entschädigung für Gallizien dienen; Schweden sollte seine 1808 verlornen Provinzen wieder erhalten; die Niederlande sollten sich von der Schelde bis zur Steknitz ausdehnen; – und Frankreich ..!! [1]

Im Westen Europas sehen wir die brittischen Inseln, wo 115 Millionen Menschen, die in Asien, Afrika und Amerika vertheilt leben, von einigen Oligarchen beherrscht werden. Sie haben den Koloß überwunden, der Europa beherrschte. In diesem großen Kampfe haben sie die Kraft des englischen Patriotismus, den Muth der Land- und Seetruppen, die Allmacht des Goldes und die Geschicklichkeit einer nicht gerade redlichen, doch tiefen und beharrlichen Politik entwickelt. Sie haben eine neue Armee geschaffen und sie zum ersten Rang unter den europäischen Heeren erhoben. Nach der Zerstörung aller andern Flotten beherrschen ihre Schiffe den Ozean. So ist England jetzt die Hauptstadt der Welt. Auf der Themse hat es den Thron des Handels errichtet; hier liegen die Magazine aller Erzeugnisse der Erde, hier das unermeßliche Zeughaus, das jüngst dem ganzen Festlande Waffen lieferte, das sich stets vom neuen füllt, und die Grundlage der brittischen Herrschaft ist. Als Canning den Krieg der Meinungen gegen die Meinungen proklamirte, konnte er sagen: Alta sedet Aeolus arce.

England umfaßt mit seinen Citadellen Europa: es besitzt Helgoland, Jersey, Gibraltar, Malta, Corfu und die jonischen Inseln. Weiter hinaus hat es sich des Vorgebirges der guten Hoffnung, der Inseln Seylan und Isle de France bemächtigt ... Stets war es der Feind des Festlandes und vor allem Frankreichs, seines Nachbars und Nebenbuhlers. Nachdem es Alles unterworfen und zerstört hat, wodurch es beunruhigt werden konnte, richtet es seine Absichten gegen Rußland, indem es hier Gefahr für seine Marine und für seinen Handel, und andere entferntere Gefahren voraussieht. England besitzt Geld genug, es besitzt Schiffe, Truppen und unberechenbare Hülfsquellen, um, seiner beharrlichen Politik folgend, Rußland zu bekämpfen. Seit dem Sturze Napoleons leben diese beiden Staaten im Zustande der Eifersucht. Das Ministerium Canning’s schien sich an die Spitze der liberalen Institutionen in beiden Welten zu stellen. St. Petersburg blieb das Hauptquartier des Absolutismus und der oligarchischen Coalition. In England scheint Alles auf Begünstigung der allgemeinen Civilisation und der brittischen Industrie gerichtet; in Rußland dagegen treibt Alles zu Eroberung, denn die slavischen Horden sind für Invasionen geschaffen.

Portugal führen wir nur als eine Kolonie von London an. Spanien zählt seit vierzehn Jahren für Nichts in der politischen und militärischen Wagschale Europas, obgleich es bestimmt war, eine schöne Rolle zu spielen.

(Fortsetzung folgt.)


Die italienischen Räuber.


(Fortsetzung.)

S. hatte durch sein muthiges furchtloses Benehmen sich bei den Räubern in Achtung gesetzt, und sogar eine Art Gunst erworben, so, daß ihm oben bald die Bande von den Händen genommen wurden, und die Räuber anfingen, sich über mancherlei Gegenstände mit ihm zu unterhalten. Sie befragten ihn z. B. über die beste und für sie sicherste Straße nach Mailand, da in dieser bella città viele reiche Galantuomini wohnten; nach der Weite des Weges, nach seinem Vaterland, der Belagerungsweise einer Festung, dem Bau, der innern Einrichtung, dem Gebrauch und der Wirkung der Kanonen und Bomben u. s. w. Dagegen erzählten sie ihm vieles von der Herrlichkeit und Freiheit ihres Lebens, wie ihrer mehrere Hunderte wären, allenthalben zerstreut, die sich aber jährlich zweimal, 14 Tage lang, an einem festen, unzugänglichen Orte in den Apenninen versammelten, wo auch eine Menge schöner Damen erscheinen, und an allen Lebensmitteln Ueberfluß vorhanden sey. Dort berathschlagten sie sich über ihre nächsten Unternehmungen. Unterdessen war ein Theil des Nachmittags vorüber, das Fleisch gebraten und verzehrt, von dem immer die besten Stücke ehrfurchtsvoll dem Hauptmann präsentirt worden waren, und auch S. und der junge Landmann seinen Theil erhalten hatte. Da kam der Ziegenhirt nebst einem Treiber und beladenen Esel zurück, worauf sich der verlangte Wein, Brod, Pulver, 200 Scudi Geld, und vielerlei Silber und goldener Schmuck, wie ihn die die dortigen reichen Landleute tragen, befand. Der Hauptmann immer finster und stumm, griff ohne umzuschauen nach den Geldrollen, überzählte sie nur so in Bausch und Bogen, und wüthend und schäumend vor Zorn, daß die Spitzbuben da unten glaubten, ihn – einen Galantuomo mit einem solchen Bagatell abspeisen zu können; die Löffel, Ringe, Schnallen, Ohrringe,

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: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 474. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_492.jpg&oldid=- (Version vom 6.7.2023)
  1. Aubernon, in seiner Schrift: Considérations historiques et politiques, schlägt vor, das Haus Sachsen auf den Thron von Polen zu setzen, auf welchen es durch die Constitution von 1791 berufen wurde, und Preussen durch das ihm so gelegene Sachsen zu entschädigen.