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Das Ausland. 1,2.1828

Das Ausland.
Ein Tagblatt
für Kunde des geistigen und sittlichen Lebens der Völker,
mit besonderer Rücksicht auf verwandte Erscheinungen in Deutschland.

Num. 125. 4 May 1828.

Nubien.


(Fortsetzung.)
Das Steinthal. Dangola. Die Kolosse auf der Insel Argo.

Der Katarakt von Uâdy-Halfa, nicht wie der Rheinfall bei Schaffhausen ein jäher Sturz des Nils über einen einzelnen Felsen – erstreckt sich durch das ganze Steinthal. Auf dieser acht und zwanzig Stunden langen Strecke – die Eingebornen nennen sie Kindineto, die Araber Uâdy-Hadjar – unterbrechen zwei und vierzig Inseln, hemmen zahllose Klippen den Lauf des Stroms, der oft in ein so enges Bett zusammengedrängt wird, daß ein Flintenschuß das jenseitige Ufer erreicht.

Die Gegend ist fast eine völlige Wüste, wo man, ohne einen Menschen zu sehen, mehrere Tage reisen kann. Ueber steile Felsen, welche die Fluth vom Urgebirge losgerissen, an tiefen Abgründen vorbei, welche sie ausgespühlt hat, führt der schmale mühsame Pfad; aber die romantische Erhabenheit der Natur, die der Pinsel eines Salvator Rosa verherrlichen sollte, entschädigt den Wanderer reichlich für die Beschwerden der Reise. Es scheint jedoch, daß diese Gegend in frühern Zeiten ziemlich bewohnt war: eine Menge Ruinen, worunter viele von christlichem Gepräge, bekränzen den Saum der schwarzen unfruchtbaren Bergkette oder erhöhen die pittoreske Schönheit der aus dem wildbewegten Strome auftauchenden Inseloasen, die auch jetzt noch der Wohnsitz einiger armen Barâbra, oder, wie man sie hier heißt, Barbarins sind. Aber überall fühlt sich der Mensch glücklich in seinem Vaterlande. Glaubten ja die guten Leute, daß wir zu ihnen blos deswegen gereist wären, weil es uns nach dem Schatten ihrer Palmen und nach dem lieblichen Saft ihrer Datteln gelüstet hätte.

Als wir an dem Ufer hinaufzogen, zeigten uns manche Stellen noch Trümmer von jenen Schiffen, auf welchen Mehemed-Ali seinem nubischen Heer die Lebensmittel hatte nachführen lassen. Lange Zeit waren nicht blos Reisende, sondern selbst Eingeborne der Meinung, daß kein Schiff diesen Katarakt passiren könne.

Da berief der Pascha seinen Laghun-dschi-baschi (Vorsteher des Bergwesens) aus den Smaragdgruben des rothen Meeres in das Steinthal. Es wurden Minen angelegt, Felsen gesprengt, und so kam auf der östlichen Seite des Flusses eine leidliche Wasserstraße zu Stande, die freilich noch immer gefährlich genug war. Denn nicht nur ein großer Theil der Araber, welche die Transportschiffe an langen Tauen von Klippe zu Klippe und von Insel zu Insel ziehen mußten, sondern auch der dritte Theil der hundert und fünfzig Transportsschiffe des Pascha’s ging bei der erzwungenen Schifffahrt zu Grunde.

Es war bei dem Dorfe Dâl-Nâru (20° 57’ 15" nördl. Br. und 28° 20’ östl. L.), wo wir das Steinthal verließen. Das Gebirg, dessen Boden bald oberhalb Uâdy-Halfa mit dem Aufhören des Sandsteins eine primitive Formation annimmt, und fort und fort rauher und höher wird, flacht sich hier wieder ab und man tritt aus der Wildniß in ein angebautes Thal, die Provinz Sokkot. Aber erst jenseits des[WS 1] Katarakts von Hanneq (19° 41’ 30" nördl. Br.), welcher die Grenze zwischen Dâr el-Mahas und Dongola bildet, verliert die Landschaft das düstere Kolorit, welches die Ansicht von Egypten und Nieder -Nubien so monoton und melancholisch macht; denn statt der zerstreut stehenden Palmbäume, der schwarzen Felsen, des Sandes, der die Ebene zu verschlingen droht, sahen wir nun grüne Fluren, üppige Felder und große mit Akazien und Nebkas dicht bewachsene Waldungen. Je mehr wir uns der Region der periodischen Regen näherten, desto auffallender wurde diese Veränderung.

Die Provinzen Sokkot und Dâr el-Mahas welche seit langer Zeit Dependenzen von Egypten waren, standen unter Scheiks. In Dongola herrschten vor der Invasion der Mamelucken kleine Erbfürsten, Malek oder Melik genannt, die, bei der Katastrophe jener Eroberer wieder unabhängig geworden, ihre Unabhängigkeit von Neuem an Ismaël Pascha verloren. Jetzt besaßen sie nur noch den Schatten von Autorität, welchen ihnen der egyptische Gebieter gelassen hatte, weil er ihrer Dienste, um die Abgaben zu erheben, und das widerspenstige Volk im Zaum zu halten, benöthigt war. Man kann sich denken, daß diese mediatisirten Meliks ihr Interesse mit diesen neuen Verhältnissen auf eine Art zu vereinigen wußten, wodurch der Flor des Landes eben nicht sonderlich gefördert ward.

Hier beginnt der Länderkreis, über welchen sich der Einfluß der Könige von Sennâr erstreckt, deren tributpflichtige Vasallen die Meliks von Dongola waren. Da aber der entfernte Oberherr das Land nicht gegen die schlimme Nachbarschaft der räuberischen Schaykyehs zu schützen vermochte, so ist dasselbe, ungeachtet seines natürlichen Reichthums, dergestalt in Verfall gerathen, daß

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: das
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: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 497. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_517.jpg&oldid=- (Version vom 10.7.2023)