Seite:Das Ausland (1828) 524.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Das Ausland. 1,2.1828

gehört haben, wenn nicht aus dem vortrefflichen Cacao von Soconusco die Chocolade bereitet worden wäre, die zum besondern Gebrauch der königlichen Tafel bestimmt war. Und obwohl wir in Guatemala weniger Spuren jener furchtbaren Tyrannei finden, welche die Spanier in so vielen andern Theilen von Amerika übten; so spricht doch die einzelne Thatsache, daß die Hülfsquellen eines so schönen Landes bis auf die neueste Zeit völlig unbenutzt blieben, lauter als ganze Bände gegen die barbarischen Grundsätze der spanischen Herrschaft.

Guatemala ist, wie Mexico, ein Gebirgsland; doch sinkt die Andeskette, die gegen Mittelamerika hin stets den Küsten des stillen Meeres nahe bleibt, zwischen der Mündung des Atrato und dem Golf von Darien zu niederen, wenige hundert Fuß hohen Hügeln herab, erhebt sich in der Landenge von Panama wieder zu einer Höhe von 600 Fuß, und geht erst an der Grenze von Columbien in die erhabenen Cordilleren von Veragua und Salamanca über. Merkwürdiger indessen, als die Hauptgebirgskette selbst, ist die lange Reihe von Vulkanen, die sich meist als isolirt stehende Kegel in Mittelamerika zwischen den Urgebirgen von Veragua und Oaxaca erheben; am südlichsten der Vulkan von Barua (Br. 8° 50’); diesem folgt der Vulkan von Papagayo (Br. 10° 10’); und östlich von diesem liegen drei feuerspeiende Berge unfern dem südlichen Ufer des Sees von Nicaragua; weiter nördlich der Vulkan von Sapaloca auf der Insel Ometope; im See von Nicaragua der Vulkan Mombacho, S. D. von der Stadt Granada; der Vulkan von Masaya zwischen Granada und Leon, und der Vulkan Momotombo östlich von der Stadt Leon. Der thätigste in älterer Zeit und der berühmteste unter allen Feuerbergen von Guatemala war der von Masaya (im Staate Nicaragua), den die Spanier el infierno de Masaya nannten, und dessen Feuer man nach Juarros auf eine Entfernung von 25 Meilen sah. Dieser Vulkan gab im 16 Jahrhundert die Veranlassung zu einem sonderbaren Beweise mönchischen Golddurstes. Der Dominicaner Blas de Innena ließ sich an einer Kette von mehr als hundert Ellen (Brazas), mit einem eisernen Löffel bewaffnet, in den Krater hinab, um das geschmolzene Gold (die flüssige Lava!) daraus zu schöpfen. Der Löffel zerschmolz, und der Mönch entkam der Gefahr, in die er sich gestürzt hatte, mit Mühe. Die Nebenumstände, mit denen diese Geschichte erzählt wird, sind gewiß erdichtet, aber es ist mehr als wahrscheinlich, daß Innena sich in den Krater wagte, und daß seine Unternehmung es war, was den Dechant des Capitels von Leon verleitete, sich vom Könige die Erlaubniß ertheilen zu lassen, den Vulkan von Masaya zu öffnen und das Gold zu sammeln, welches dieser Berg in seinem Innern verberge. Weiter nördlich zwischen der Stadt Leon und dem Meerbusen Amapala folgen die vier Vulkane Felica, del Viejo, Giletepe und Guanacaure. Westlich von dem Meerbusen Amapala liegen noch zwanzig Vulkane, von denen der von Pacaya und der Vulkan del Fuego in der Nähe der Stadt Guatemala die bekanntesten sind. – Die Lage dieser Stadt mußte in Folge der vulkanischen Eruptionen und Erdbeben, die ihr mehr als einmal den Untergang drohten, zweimal verändert werden. Ursprünglich wurde sie an der Stelle, die jetzt Ciudad Vieja heißt, angelegt, und von dort im Jahre 1541 ungefähr eine Meile weit nach Altguatemala verlegt, bis im Jahre 1776 endlich die jetzige Hauptstadt Neuguatemala gebaut wurde. Ciudad Vieja stand am Fuße eines hohen Berges von kegelförmiger Gestalt, welcher der Volcan de Agua (Wasservulkan) genannt wird. Dieser Berg ist mit fruchtbarem Boden bedeckt und von blühenden Dörfern und Thälern umgeben. Wenn man auf seinem Gipfel steht, hat man die erhabenste und prächtigste Aussicht von der Welt. Gegenüber liegen die Vulkane von Pacaya und del Fuego, mitten unter reichen Landgütern und Dörfern, in der Nähe die Stadt Guatemala, das Dorf und der See von Amatitan. Weiterhin sieht man im Norden den atlantischen Ocean, das stille Meer im Süden, und dazwischen eine unermeßliche Landschaft von der Stadt San Salvador bis zu den Flächen von Chiapa. Alles, was die Natur Reizendes und Köstliches besitzt, ist verschwenderisch über dieses herrliche Land ausgebreitet; aber unter der Decke, welche sein Boden bildet, glüht das unterirdische Feuer, das jeden Augenblick in Erdbeben und furchtbaren Explosionen sich Luft zu machen droht.

Auf dem Gipfel des Volcan de Agua ist eine Art Krater, obwohl keine Nachricht davon vorhanden ist daß er jemals Feuer ausgeworfen habe. Am Morgen des 11 Sept. 1541 stürzte dagegen, nachdem lange anhaltende Regen und Eruptionen des Volcan del Fuego – von gewaltigen Erderschütterungen begleitet – vorausgegangen waren, ein unermeßlicher Wasserstrom aus dem Krater herab, der ungeheure Felsstücke vor sich herwälzte, die unglückliche Ciudad Vieja überschwemmte und eine große Anzahl ihrer Einwohner unter den Trümmern ihrer Häuser begrub. Ihre Entfernung nach Altguatemala gewährte ihnen nur kurze Zeit zur Erholung von ihrem Unglück. Außerdem, daß sie von Zeit zu Zeit von fürchterlichen Epidemien heimgesucht wurden, ward die Stadt mehr als einmal halb zerstört von den Erdbeben, welche die Ausbrüche der Vulkane del Fuego und Pacaya begleiteten, zwischen denen sie stand. Jeder dieser Berge ist auf seinem Gipfel in drei Spitzen getheilt, die mehrere Oeffnungen haben. Einmal kehrten länger als ein Jahr hindurch die Erdbeben wöchentlich wieder; ungeheure Wolken von Asche und Rauch verdunkelten die Sonne, so daß man in der Stadt des Mittags zu dem Gebrauche von künstlichem Licht seine Zuflucht nehmen mußte; ganze Monate hindurch flossen die Feuerströme. Im Jahr 1664 warf der Krater von Pacaya eine so unermeßliche Feuersäule aus, daß die Stadt in einer Entfernung von sieben Meilen des Nachts so hell erleuchtet war, als um Mittag. Eine dieser Convulsionen der Natur, die durch die letzte Hälfte des Jahres 1773 in kurzen Zwischenräumen wiederkehrten, war es, die endlich die Stadt Altguatemala völlig zerstörte und die Einwohner zwang, sich, um der Wiederholung einer so schrecklichen Katastrophe zu entgehen, eine neue Heimat zu suchen.

(Forts. f.)
Empfohlene Zitierweise:
: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 502. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_524.jpg&oldid=- (Version vom 16.9.2023)