Seite:Das Ausland (1828) 525.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Das Ausland. 1,2.1828

Der Krieg zwischen Persien und Rußland.


(Fortsetzung.)


Um diese Zeit sandte der Schah eine Botschaft nach Constantinopel, um den Großherrn von den glücklichen Erfolgen, welche bisher seine Waffen begleitet hatten, zu benachrichtigen und die Pforte aufzufordern, gemeinschaftliche Sache gegen Rußland zu machen.

Während der Erbprinz vor Schischa lag, entsandte er seinen ältesten Sohn Mahommed Mirza, begleitet von seinem mütterlichen Oheim Amir Khan, mit einem Corps von 10,000 Mann und sechs Kanonen gegen Tiflis. Hier hatte indessen der General Mududoff, ein geborner Armenier, eine russische Macht von 6000 Mann Infanterie und 3000 Mann Cavallerie zusammengezogen, von denen er ein Detaschement von 600 Mann abschickte, um einen persischen Posten aufzuheben. Statt dessen fiel dieses Corps aber auf die ganze persische Armee unter Mahommed Mirza und erlitt einen Verlust von 200 Mann. Am 2 September stießen beide Heere bei Schamkhar, fünf Fursungs (pers. Meilen) von Tiflis, auf einander. Die Perser wurden auf das Haupt geschlagen und Amir Khan, ihr zweiter Anführer, getödtet.

Die Russen rückten nach diesem Erfolg nach Gendscha (Elisabethopol) vor, woraus die Perser mit großem Verlust vertrieben wurden. Der Erbprinz hob, auf die Nachricht von diesen Unfällen, sogleich die Belagerung von Schischa auf, und marschirte gegen Tiflis, um den Tod seines Oheims und die Niederlage seines Sohnes zu rächen. Die Armenier von Karabagh, die, durch die Grausamkeiten seiner Truppen zur Verzweiflung gebracht, die Waffen ergriffen hatten, umschwärmten seine Flanken und seinen Rücken und schnitten beständig alle Nachzügler ab. Ein großer Theil der Armee war zum Furragiren und auf Raubzüge zerstreut, da er aber in sehr kurzen Märschen vorrückte, so gelang es ihm, nachdem der Premierminister Ala-yar Khan zu ihm gestoßen war, vierzig tausend Mann zusammenzubringen, von denen die Hälfte disciplinirte Truppen, mit 20 Feldstücken.

Am 25 Sept. stand er dem russischen General Paskewitsch gegenüber, der 5 Meilen vorwärts Elisbethopol eine Stellung eingenommen hatte. Der Prinz beschloß ihn anzugreifen und theilte deshalb seine Armee in drei Treffen, die Infanterie im Centrum, die Cavallerie in den Zwischenräumen und auf den Flanken. Bei der Canonade, die einige Zeit von beiden Seiten unterhalten wurde, fand der Prinz, daß das schwere Geschütz der Russen große Verheerungen in seinen Reihen anrichtete; er befahl daher einen allgemeinen Angriff auf die Russen, die in hohlen Vierecken aufgestellt waren. So wie aber die Perser sich diesen näherten, bildeten die Vierecke sich in Colonnen, marschirten den Angreifenden entgegen und durchbrachen die erste Linie, die nun auf die zweite fiel und auch diese in Unordnung brachte. Als die Reserve das Schicksal der übrigen Truppen sah, floh sie, ohne einen Schuß gethan zu haben, in das Lager. Mehrere Standarten und vier Feldstücke fielen in die Hände der Sieger; das übrige Geschütz, das von einem englischen Sergeanten, Dawson, dirigirt war, wurde gerettet. Der Verlust, den die Perser erlitten hatten, belief sich auf 2000 Mann; die Russen hatten 500 Todte und Verwundete.

Als der Prinz die Niederlage seiner Armee entschieden sah, floh er mit wenigen Reitern, und machte nicht eher Halt, als bis er 50 Fursungs auf der persischen Seite des Araxes war. Seine Truppen eilten dem Lager zu, um ihre Effecten zu retten; hier entstand eine allgemeine Plünderung; und die Feldkasse des Prinzen wurde von seinen eigenen Leuten beraubt. Alle Ordnung hatte ein Ende und jeder floh seiner Heimath zu.

Als die Nachricht von diesem Ausgang dem Schah mitgetheilt wurde, war er äußerst niedergeschlagen, und brach in Verwünschungen gegen seinen Sohn, den Erbprinzen, aus, daß er eine so schöne Armee an einem einzigen Tage auf das Spiel gesetzt habe. Diese Unklugheit war in der That, ohne die vorausgegangenen glücklichen Erfolge, unbegreiflich, da es den Persern, ungeachtet ihrer orientalischen Prahlereien, keineswegs an richtiger Schätzung der russischen Macht und der Ueberlegenheit europäischer Disciplin fehlte. Schon Aga Mahommed Khan, der Großvater des Prinzen, und der Stifter der Dynastie, hatte die Mittel erkannt, die ihm disciplinirten Truppen gegenüber zu Gebote standen. Als im Jahr 1797, in Folge des Einfalls der Perser in dem Königreich Georgien und der Zerstörung von Tiflis, eine russische Armee unter General Suboff bis über den Araxes vorgedrungen war, und bereits seine Hauptstadt Teheran bedrohte, versammelte er die Anführer seiner Armee, die auf einem Eroberungszuge auf der entgegengesetzten Grenze des Reiches begriffen waren, und benachrichtigte sie, daß die Ungläubigen während seiner Abwesenheit von Khorasan es gewagt hätten, in das Land, der „goldenen Häupter“ einzufallen. „Aber meine tapfern Krieger,“ fügte er hinzu, „sollen gegen sie geführt werden, und wir wollen mit dem Segen Gottes uns auf ihre berühmten Infanterielinien und Geschützbatterien werfen und sie zu Stücken hauen mit unsern siegreichen Säbeln!“ Ein allgemeiner freudiger Zuruf beantwortete diese Rede und alle versprachen ihr Leben für die Ehre des Reiches daran zu setzen. Als sie sich entfernt hatten, befahl der Fürst seinem ersten Minister, Hadschi Ibrahim, sich ihm zu nähern, und fragte ihn, ob er gehört, was er zu seinen Heerführern gesagt habe? Der Minister bejahte dieß. „Und meinst du, sagte er, daß ich thun werde, was ich ihnen versprochen habe?“ – Ohne Zweifel, wenn es Ew. Hoheit Gefallen ist, war die Antwort. – „Hadschi,“ sagte Aya Mahommed Khan, halb unwillig, „hab ich mich geirrt? bist du auch ein Narr, wie die Andern? Kann ein Mann von deiner Weisheit glauben, ich werde mit meinem Haupt gegen ihre Wälle von Stahl rennen, und meine unregelmäßige Armee von ihren Kanonen und ihren disciplinirten Truppen vernichten lassen? Ich weiß es besser. Ihr Geschütz soll mich nicht treffen; aber sie sollen keinen Fuß Landes haben, außer seiner Schußweite. Sie sollen

Empfohlene Zitierweise:
: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 503. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_525.jpg&oldid=- (Version vom 8.7.2023)