Seite:Das Ausland (1828) 528.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Das Ausland. 1,2.1828

Aus diesen Umgebungen der Philosophie treten wir nun in das Gebiet der Philosophie selbst ein. Wir begreifen unter diesem Namen die Logik, Ideologie, Metaphysik und die Ethik. Genovesi halten wir für den größten dermaligen Logiker in Italien, wenn man einen Schriftsteller groß nennen darf, der in irgend eine Materie Klarheit oder neue Begriffe bringt. Pater Soave erwarb sich durch seine Elementi di Logica, Metafisica, Etica das Verdienst, die ganze Philosophie in ein Fachwerk zusammenzustellen, allein er brachte die Wissenschaft um keinen Schritt weiter, ja man kann sagen, daß seine Schrift, indem sie das Gedächtniß ermüdet, den Geist leer und unthätig läßt. Um zu beurtheilen, wie viel dem Pater zu einer tüchtigen Handhabung seines Gegenstandes fehle, braucht man nur seine Geschichte der Philosophie zu lesen, die er seinem Werke vorangeschickt hat. Gioja hat in den letzten Jahren gli Elementi die Filosofia ad uso de’ giovanelli in zwei Bänden herausgegeben, worin er sich bestrebte, ganz praktisch zu seyn, und vor Allem jenes Dunkel der Sprache und des Räsonnement zu vermeiden, welches das Verständniß der Jugend hindern konnte. Diese Elementi halten wir für das beste, was Gioja geschrieben hat, wir wissen aber nicht, ob sie bei den Lehrern gerechte Anerkennung gefunden haben. Die Schrift soll darthun, wie oft die einfachsten und klarsten Dinge durch Pedanterie und gelehrten Trug dunkel und schwierig gemacht werden, und wie oft die Lehrer durch ein Schaugepränge eitler Spitzfindigkeiten die Fortschritte der Schüler wie der Wissenschaft hemmen. Nicht auf gleiche Weise können wir Gioja’s Ideologia rühmen, ein Werk, das wohl nicht mit Unrecht fast überall als oberflächlich und unzureichend bezeichnet wurde. Die Italiener sind im Allgemeinen keine Freunde von subtilen Abstraktionen und Spekulationen, worin sich die Deutschen und Engländer leicht mehr als nöthig ist, gefallen; doch geschah Einzelnes um das, was hierin von dem übrigen Europa vor allem von Deutschland erstrebt und erreicht wurde, Italien näher zu bringen. Eine Sammlung der Metaphysiker, die in Pavia erschien, eine italienische Uebersetzung aller alten und neuen Werke Kant’s und seiner Nachfolger hat die Kenntnisse wenigstens vorbereitet. Auch die Geschichte Buhle’s wurde in keiner andern Absicht übersetzt, als das Studium der Geschichte der Philosophie aufzuregen. Poli, Professor der Philosophie in Mailand, gibt gegenwärtig seine saggi filosofi heraus, worin er eine kurze Darstellung der verschiedenen philosphischen Schulen, vor allen der neuern beabsichtigt.

Von Originalwerken sind nur wenige hervorzuheben. Der schon oben genannte Romagnosi schrieb ein Naturrecht (Assunto di diritto naturale; Pezzi einige sehr beachtenswerthe Lezini di filosofia. Im vorigen Jahre trat ein Jüngling von 19 Jahren, Nessi von Como mit einem Werke „über das Princip aller Philosophie“ auf, das von ihm einen ebenso tiefen als scharfsinnigen Denker erwarten läßt.

Italien nahm bis jetzt wenig unmittelbaren Antheil an dem Entwicklungsgange der speculativen Philosophie des neuern Europas, und an dem Kampf der Systeme, die namentlich in Deutschland die Grundlage aller Wissenschaft zu legen sich bemühen. Sein ganzes geistiges Leben geht still und unbemerkt einer Umwandlung entgegen, aber dieß kann bei den übrigen Verhältnissen des Landes und Volkes weniger in den abstracten Formen der Speculation sich aussprechen, sondern zeigt sich mehr in der, wenn auch oft verirrten, doch tief in Gemüth und Bedürfniß der Nation liegenden Richtung des politischen Geists, der sich am ungetrübtesten in der verjüngt auftauchenden Poesie ausspricht, die, den matten Geist des Schäfergedichts, wie die todte Form der Classizität abstreifend, auf das eigene Vaterland und seine Geschichte zurückkehrt, und so in der Wiedererweckung der Nationalerinnerungen das schönste Ziel poetischer Begeisterung findet, und dem in allen übrigen Verhältnissen nur leise und behutsam sich aussprechenden Gefühlen der Gegenwart eine Sprache leiht. Es ehrt die Regierungen Oberitaliens, daß sie das Mißtrauen des politischen Lebens nicht auf die friedliche, arglose Entwickelung des poetisch-geistigen übertragen.

(Fortsetzung folgt.)


Die Republik Guatemala.


(Fortsetzung.)

Vor der spanischen Eroberung war Guatemala von verschiedenen indianischen Stämmen bewohnt, deren Nachkommen noch immer den größten Theil der Bevölkerung bilden [1]. Nicht weniger als zwanzig verschiedene Sprachen

  1. Nach Humbold (a. a. O. S. 137) besteht die Bevölkerung von Guatemala, die er – wahrscheinlich zu niedrig – auf 1,800,000 bis 2,000,000 schätzt, zu drei Fünftheilen aus Indianern, zu zwei Fünftheilen aus Mestizen und zu einem Fünftheile aus Weißen (Kreolen und Europäern). Dennoch könnte Guatemala für die kupferfarbenen Eingebornen des nördlichen Amerika vielleicht einst dasselbe werden, was Paraguay für die des Südens zu werden scheint. Die Indianer sind hier arbeitsamer und gebildeter, als in irgend einem andern Theile des spanischen Amerika, und noch sind die zahlreichen Denkmäler ihrer frühern Cultur vorhanden. Die merkwürdigsten derselben sind die Ruinen der alten Stadt Culhuacan, unweit des Dorfes San Domingo Palenque (s. Description of the Ruins of an Ancient City, discovered near Palenque in the Kingdom of Guatemala, by Captain A. del Rio, with notes by Dr. P. F. Cabrera. Lond. 1822; die Abbildung eines Basreliefs in Humbolds Vues des Cordilleres T. I. p. 151 vgl. T. II. p. 392); die Ruinen eines mit Bildsäulen gezierten Tempels bei Copan, die mit Säulen gezierte Höhle von Tubulca im Staat Honduras, die Ruinen der Insel Peten in den Lagunen von Itza; die gigantischen Ruinen der Königsstadt Utatlan (z. B. von einem Palast von 728 Schuh Länge und 376 Schuh Breite), und endlich die Reste einer großen Anzahl von Festungen.
Empfohlene Zitierweise:
: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 506. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_528.jpg&oldid=- (Version vom 17.9.2023)