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Das Ausland. 1,2.1828

Das Ausland.
Ein Tagblatt
für Kunde des geistigen und sittlichen Lebens der Völker,
mit besonderer Rücksicht auf verwandte Erscheinungen in Deutschland.

Num. 128. 7 May 1828.

Der Krieg zwischen Persien und Rußland.


(Fortsetzung.)


Das Vorrücken eines Corps von 6000 Mann Infanterie mit verhältnißmäßiger Cavallerie und Artillerie schien anzudeuten, daß eine Unternehmung von Wichtigkeit beabsichtigt werde. Von dem Ort, wo dieß Corps über den Arras gegangen war, führen bequeme Straßen nach Tauris und Ardebil; die ersten Bewegungen desselben schienen Tauris als den Punct seiner Bestimmung zu bezeichnen. Einen Versuch dieser Art hatte der Erbprinz nicht vorausgesehen; und da die Strenge der Jahreszeit alle militärischen Unternehmungen unmöglich zu machen schien, so war der größere Theil der persischen Infanterie und die ganze Cavallerie nach Hause entlassen worden. Tauris war sehr unzulänglich mit Vorräthen versehen, und die Einwohner waren unvorbereitet, ohne Hülfe einer Besatzung ihre Stadt zu vertheidigen. Die Verwirrung, welche diese plötzliche Gefahr wie gewöhnlich erregte, wurde durch die Furcht vermehrt, daß der russische General durch eine mißvergnügte Partei eingeladen worden sey, da er sonst schwerlich mit einer so geringen Macht einen Angriff auf Tauris wagen würde. Der Landstrich, in welchen die Russen eingedrungen waren, ist von dem mächtigen Stamm von Schakswud bewohnt, dessen Häuptling Atta Khan auf Befehl des Prinzen geblendet worden war; wie leicht konnte dieser seinen Stamm verleitet haben, mit dem Feinde gemeinschaftliche Sache zu machen. In der That hatte Atta Khan den russischen General besucht, und es ging das Gerücht, daß er Truppen zusammenziehe, um in Verbindung mit demselben zu handeln. Wenn der russische General die Bestürzung, welche auf die Nachricht von seiner Annäherung folgte, benutzt hätte, und mit seinen Truppen rasch vorgerückt wäre; so wäre die Stadt wahrscheinlich ohne allen Widerstand in seine Hände gefallen. Nach wenigen Tagen aber begannen von allen Seiten Truppen anzukommen, die Einwohner erhielten ihren Muth wieder, und wünschten jetzt selbst, der Feind möchte einen Versuch auf die Stadt machen, da sie überzeugt waren, daß derselbe die Vernichtung seiner ganzen Armee zur Folge haben würde. Der russische General ging jedoch, nachdem er einige Magazine weggenommen, dagegen aber auch durch die Kälte einen großen Theil seines Zugviehes verloren hatte, über den Arras zurück, ohne seine Truppen den Gefahren eines Winterfeldzuges in einem rauhen unbekannten Lande bloß zu stellen.

Mirza Mahommed Ali setzte darauf mit den befreiten Gefangenen seine Reise nach Tiflis fort; General Yermolov, dem er die Wünsche des Schah eröffnete, wies ihn an den General Diebitsch, der kürzlich mit einer Specialcommission von der Hauptstadt angekommen und mit den Ansichten des Kaisers bekannt war. Dieser äußerte sich dahin, daß man von Persien die Abtretung der Khanate Eriwan und Nakhschiwan und eine Entschädigung für die Kriegskosten erwarte: sofern diese Bedingungen nicht angenommen würden, könne von Friedensunterhandlungen nicht die Rede seyn.

Der Mirza kam im Monat März nach Tauris zurück, und bald darauf die Antwort des russischen Cabinets auf die Friedensvorschläge, die er überbracht hatte: „Wenn Persien Frieden suche, so möge es sich an den Gouverneur von Georgien wenden, der desfalls die erforderlichen Instructionen erhalten habe. Was die Freilassung der Gefangenen betreffe; so dürfe man nicht vergessen, daß Persien, wenn es seinen Angriff nicht mitten im Frieden auf ein völlig unvorbereitetes Nachbarland gemacht hätte, keine Gefangene, die es hätte frei lassen können, gehabt haben würde.“ Es war klar, daß Rußland den Frieden nur unter Bedingungen bewilligen wollte, die der Schah für gleich nachtheilig für seine Ehre und die künftige Sicherheit seines Landes hielt.

Im folgenden Monat wurde General Yermolov und der größte Theil der Offiziere, die unter ihm in Georgien gedient hatten, zurückberufen und das Obercommando an seiner Stelle dem General Paskewitsch anvertraut, der sich schon in dem Feldzuge des vorigen Jahrs ausgezeichnet hatte. Große Verstärkungen kamen von den Provinzen diesseits des Kaukasus an, und aus allem ging hervor, daß Rußland in dem nächsten Feldzuge alle seine Kraft entwickeln wollte. Noch im Lauf desselben Monates setzte sich General Benkendorf mit einem Corps von ungefähr 7000 Mann Infanterie, 3000 Mann Cavallerie und 18 Kanonen gegen Eriwan in Bewegung, ging bei Baschaberan über die Grenze und drang, fast ohne den geringsten Widerstand zu finden, bis zu dem Kloster der drei Kirchen (Etschmiazin, auch Etschkilisiah) vor.

Am zweiten Mai machte die Armee von Karabagh, die kurz zuvor ihre Winterquartiere verlassen hatte, einen Versuch bei der Brücke Pul i khoda aferin, von der einige Bogen abgebrochen waren, den Uebergang über den Araxes

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: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 509. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_531.jpg&oldid=- (Version vom 17.9.2023)