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Ich hörte von Weitem, daß mein klägliches Ende der Gegenstand ihres Gesprächs war und daß sie von meiner Verlassenschaft im Namen meiner Erben oder meiner Gläubiger Besitz ergreifen wollten. Aber wer beschreibt ihr Erstaunen, als ich mich von meinem Stuhl erhob und sie fragte, was ihr Begehren sey? „Was, Roberts! ihr seyd also nicht ertrunken?“ rief der alte Häuptling aus, und mit einem feierlichen Ton setzte er hinzu: „das ist Gotteswerk, Roberts, einzig Gotteswerk.“

Die Engländer, welche seit langer Zeit von Jamaika aus mit Guatemala verkehren, sind hier sehr wohl gelitten und es gehört zum guten Ton, auf englischem Fuß zu leben. Unbeschadet ihres Charakters als Gentlemen können sich jedoch die Männer toll und voll betrinken; wenn es aber manchmal geschieht, daß die Weiber darin das Beispiel ihrer Eheherren nachahmen, so werden sie von diesen nachdrücklichst erinnert, daß keine Lady einen Rausch trinke. Ueberhaupt, welcher Contrast zwischen der behaglichen und selbst üppigen Lebensweise dieser Halbwilden und der erbärmlichen genußlosen Existenz so vieler Millionen in dem hochcivilisirten und glücklich gepriesenen Europa! Für die nothwendigen Bedürfnisse sorgt die Natur unmittelbar. Der Anbau der Pflanzungen erfordert wenig Arbeit, die Wälder liefern eine Menge Wildpret, die Flüsse vortreffliche Fische, die Seen oder Lagunen Schildkröten etc. Vor Alters verfertigten die Valientes ihre gewöhnliche Kleidung aus einer Art Baumrinde, die, nachdem sie lange im fließenden Wasser geweicht, hierauf geklopft und zwischen hölzernen Walzen geglättet worden war, zuletzt fast die Dauer und die Feinheit sämisch gegärbter Häute annahm. Hatte man ein viereckiges Stück daraus gemacht, sechs bis sieben Fuß lang und fünf breit, mit einer Oeffnung in der Mitte, um den Kopf durchzustecken, so war die indianische Schneiderei fertig. Gegenwärtig tragen sich viele von ihnen ganz europäisch, und ich sah einige ihrer Kaufleute und Häuptlinge, die, wie sie sich selbst mit großer Selbstgefälligkeit auszudrücken beliebten, nach ihrem Anzug vollkommene Gentlemen waren, die mit dem seidenen Sonnenschirm einherstolzirten, während sie sich von ihren Clienten die Aufwartung machen ließen. Diese Völker scheinen eingesehen zu haben, daß sie, um der Vernichtung zu entgehen, unsre Sitten annehmen müssen; denn diejenigen von ihnen, die im wilden Zustande beharren, zerschmelzen vor civilisirten Völkern, wie der Schnee vor der Frühlingssonne.

Die Regenzeit gilt nicht als ungesund, sondern sie ist im Gegentheil die Zeit der Ruhe und des Vergnügens. Die Leute vereinigen sich alsdann in große Trinkgesellschaften, worin sie ungeheure Quantitäten Kokosnußgeist aufgehen lassen. Sie bereiten dieses Getränk auf äußerst einfache Weise: die Früchte werden zwischen zwei Steinen zu einem Teig zerrieben, der in heißem Wasser verdünnt wird. In großen Kürbißflaschen, deren jede zwei Pinten halten mag, geht der edle Saft von Hand zu Hand; mancher Indianer nimmt acht bis zehen dergleichen Flaschen in einer Sitzung zu sich, eine Portion, die ihn in süße Selbstvergessenheit versenkt. Ihr Lieblingszeitvertreib bei diesen Vereinen besteht darin, daß sie in einem ausdrucklosen und singenden Tone Reden oder lange Geschichten vortragen, ohne daß je einer den Sprecher unterbricht, so unwahrscheinlich auch seine Mähre seyn mag. Ich versuchte oft solchen nachsichtigen Zuhörern Anekdoten aus meinem Leben zu erzählen oder sie mit den Einrichtungen und Gebräuchen Europas bekannt zu machen. So wunderbar und unbegreiflich unwissenden Indianern alle diese Dinge seyn mußten, so verriethen sie doch nie ein Zeichen von Ungeduld. Manchmal, wenn ich geendet hatte, sahen die Aeltesten einander bedächtlich an, und, als ob sie sich erst sammeln wollten, ehe sie das Wort ergriffen, schwiegen sie einige Augenblicke, worauf sie mit Nachdruck sagten: „Lügen, Roberts, Lügen.“ Ich entgegnete alsdann: „Nicht Lügen, wahre Geschichte, in England so,“ und oft setzte ich hinzu: „Nun, ich will euch eine erlogene Geschichte erzählen.“ Mit einem Male waren alle Falten von den Gesichtern der guten Leute verschwunden und sie riefen: „Eine Geschichte, Roberts, eine Geschichte!“

(Schluß folgt.)


Englische Niederlassung auf Fernando Po.


(Schluß.)


Samstag den 10 Nov. Nur wenige Kanoes und Eingeborne ließen sich heute sehen, und keiner kam an das Schiff heran, was uns auf die Vermuthung brachte, daß unsre Arbeiten ihnen nicht gefielen. Nachmittags wurde sie bestätigt; es erschien eine Deputation von sieben Chefs in New Market bei Jeffery und beklagte sich darüber, daß unsre Leute die Palmbäume umhieben, mit den Blättern derselben ihre Hütten zu bedachen; auch beschwerten sie sich über das häufige Abschießen von Gewehren. Auf den letzten Punkt erwiederten wir, daß nur die Offizieren nach den Affen schößen. Zur Bestätigung dessen kam gerade der Zahlmeister mit einem Manne herbei, der einen großen Affen, den jener geschossen hatte, so wie einen sehr kleinen Rehbock trug. Diese Erklärung schien sie jedoch noch nicht zu befriedigen – sie schüttelten die Köpfe und gaben uns durch Zeichen zu verstehen, wir würden so ihre Palmbäume, von denen sie ihren Wein bezögen, und ihre Wälder umhauen, und mit unsern Feuergewehren weiter landeinwärts kommen. Capitän Harrison wünschte diese Klagpunkte zu berichtigen, und um sie zu überzeugen, daß dieß nicht unsre Absicht sey, führte er sie nach dem Platze, den die Arbeiter abräumten. Er ließ nun eine Quantität Eisen herbeischaffen, und gab ihnen durch Zeichen zu verstehen, daß er dieses ihnen für das Land innerhalb der abgemarkten Linie geben wollte. Um zu zeigen, daß sie es verstanden, steckten sie längs der ganzen Linie hin in gleicher Entfernung Stäbe in den Boden. Da man nun die Sache zu beiderseitiger Zufriedenheit abgemacht hatte, kehrten wir nach dem neuen Markte zurück, setzten uns der Reihe nach nieder und tranken zur Bekräftigung des Kaufes Palmwein zusammen.


Empfohlene Zitierweise:
: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 523. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_545.jpg&oldid=- (Version vom 16.5.2023)