Seite:Das Ausland (1828) 553.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Das Ausland. 1,2.1828

Das Ausland.
Ein Tagblatt
für Kunde des geistigen und sittlichen Lebens der Völker,
mit besonderer Rücksicht auf verwandte Erscheinungen in Deutschland.

Num. 133. 12 May 1828.

Marly, oder Pflanzerleben auf Jamaika.


(Fortsetzung.)

Am nächsten Morgen erwachte Marly schon vor Tagesanbruch an einem heftigen Peitschenknall, womit der Treiber zur Arbeit rief. Er hatte noch spät Abends für diesen neuen Zweig seiner Amtsthätigkeit die nöthigen Anweisungen erhalten, und begab sich nun sogleich zu dem Stalle, in welchem das Vieh die Nacht über eingesperrt war. Er zählte während des Austreibens 180 Ochsen und Maulesel, und schlenderte dann auf das Feld, wo er mit den frühesten Negern anlangte. Die Abtheilung, zu welcher er gehörte, bestand aus 50 – 60 Köpfen mit einem Treiber, Namens Hamden, und hieß der zweite Gang; der erste bestand aus 80 – 90. Nachdem er etwa zwei Stunden dort geblieben war und sie arbeiten gesehen hatte, verließ er das Feld, um zu frühstücken, und begab sich dann zu dem Hot house oder dem Spital. Daselbst besorgte er, was der Arzt, dem die Gesundheitspflege oblag, bei seinem Morgenbesuch anzuordnen für gut gefunden hatte. Wie er aus dem Spital trat, ward er von einer Negerin, welche für das Geflügel zu sorgen hatte, um indianisches Korn für ihr Federvieh angegangen. Seine Instructionen hierüber lauteten folgender Maßen:

„Da wir nur eine bestimmte Quantität indianisches Korn bauen, so müssen Sie solches zu Rath halten; geben Sie der Cleopatra für das Federvieh einen Korb voll Korn. Wenn Sie Abends vom Felde kommen, so sehen Sie darauf, daß Columbus das Vieh in die Ställe bringt; Sie brauchen sich aber damit wenig aufzuhalten, da Columbus sehr pünktlich ist. Dann sorgen Sie, daß Bonaparte die Schafe und Schweine in ihre Ställe bringt, daß ihre Zahl eintrifft, – darauf geben Sie auch ihm einen Korb voll Korn, und bleiben dabei, bis die Schweine gefressen haben, – damit nichts gestohlen wird. Zugleich geben Sie Acht, daß Venus mit dem Pickeniny-Gang genug Orangen für die Ferkel bringt. Wenn diese nicht an der Zeit sind, so soll sie Kräuter bringen; Sevilla-Orangen gibt es aber in solcher Menge hier, daß die süße Orange wahrscheinlich reif ist, ehe die bittere ausgeht, und dann lassen Sie solche herbeischaffen.“

Als er wieder auf das Feld ging, folgten ihm die Köche des Gangs mit dem Frühstück für die Arbeiter. Bei ihrer Ankunft knallte der Treiber mit der Peitsche – ein Signal, zum Einstellen der Arbeit, dem sogleich willfahrt wurde. Ihr Frühmahl war eben nicht lecker: die meisten bekamen blos ein paar gesottene Paradiesfeigen, nebst einem Häring, andere ein Stück Yam (Brodfrucht) und ein wenig Brühe von sauren Zitronen oder Pfefferkraut. Nach einer halbstündigen Frist gab Marly dem Treiber ein Zeichen, worauf er durch denselben Peitschenknall die Neger wieder in die Linie einrücken hieß. Sie mußten ein Zuckerfeld reinigen, das Unkraut ausjäten, die Erde auflockern etc.

Nächstdem erwartete ihn ein anderes Geschäft.

Als Marly, verdrossen über seinen neuen Beruf, in sein Gemach trat, um sich zu waschen und andere Kleider anzulegen, bemerkte er auf dem Tisch ein kleines Buch mit einem Billet darauf; er nahm es und las zu seinem Erstaunen folgende Weisung: „Führen Sie das Rattenbuch und sehen Sie darauf, daß Homer jeden Tag sechs Ratten liefert, denen Sie sodann die Schwänze abhauen lassen. Wenn er nicht einhält, berichten Sie. Sie geben ihm täglich einen Hutvoll Korn; wenn es gemahlt und gesotten ist, sehen Sie darauf, daß die Hunde es zu fressen bekommen.“

Da er noch nicht gewohnt war, sich so lange den brennenden Sonnenstrahlen auszusetzen, fühlte er sich sehr matt und erschöpft, und zugleich – dieser neue Willkomm goß keinen Balsam in seine Wunden – entwürdigt durch jenen Zuwachs seiner Berufsgeschäfte, als mit einem Mal der vorerwähnte Homer mit einem Gefolge von acht bis zehn Hunden seine Aufwartung machte. Sein Gesicht trug nicht den Stempel der Würde, den man auf den Büsten seines unsterblichen Namensbruders findet; denn es war ein übelgeformtes afrikanisches Negergesicht von der Kongo-Nation, sehr markirt durch die Narben, womit man in seiner Heimath die Schönheit desselben zu steigern sucht. Er wies seine sechs Ratten vor, und bat, nachdem er seine Gefangenen ihrer Schwänze entledigt, um das Hundefutter. Während die Hunde unter Marly’s Aufsicht ihr Mahl verschlangen, war Homer emsig damit beschäftigt, seine Ratten an einige Neger, so gut es anging, zu verkaufen; da er von jedem erlösten Dollar ein Achtel für sich bezog. Obgleich Marly schon früher gehört hatte, daß die Neger, gleich den alten Römern, diese scheusliche Thierart zu verspeisen pflegen, so war er doch immer noch ungläubig. Da er es aber mit eigenen Augen ansah, fand er sich mit Einem Mal in ein Land von Cannibalen versetzt, unter ein unterdrücktes, entwürdigtes Geschlecht – und zwar entwürdigt aus keinem

Empfohlene Zitierweise:
: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 529. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_553.jpg&oldid=- (Version vom 19.9.2023)