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Das Ausland. 1,2.1828

andern Grund, als weil die Vorsehung nach ihrer Weisheit und Allmacht ihnen eine schwarze Farbe gegeben hatte. Er fragte ein Negermädchen, das einen Theil davon kaufte, wie sie dazu käme, Ratten zu essen? Sie rief: O das ist ein Leckermahl für den Neger, Massa! – Da sagte man ihm, daß man mit dem Essen warte; worauf er dann in das Buckrahaus trat. Nach Beendigung des Mahls fragte er den Aufseher, ob die Neger insgemein Ratten essen. Dieser bejahte es mit der Bemerkung, er sehe nicht ein, warum die Ratten kein gutes Essen seyn sollten. Das Vorurtheil und der Ekel der Weißen vor diesen Thieren lasse sich dadurch entschuldigen, daß die Ratten in den Städten vom Unflath leben; die in den Zuckerpflanzungen aber leben von dem Zuckerrohr, der reinlichsten Nahrung von der Welt. –

Einst brachte ein Mann und seine Frau ihre Tochter, ein Mädchen von etwa sechzehn Jahren, die zu einem der Feldgänge gehörte, und beklagten sich bei dem Aufseher, daß sie sich seit einiger Zeit dem Erdessen ergebe; trotz allen theils freundlichen, theils Zwangsversuchen, hätten sie solche nicht vermocht, von dieser verderblichen Gewohnheit abzustehen; sie brächten sie nun vor den Massa, um sie einzusperren, und ihr so alle weitere Gelegenheit zu nehmen. – Das Erdessen ist eine Krankheit, die am Ende die Wassersucht und den Tod zur unausbleiblichen Folge hat. Das Mädchen sah im Uebrigen sehr verständig aus. Sie wurde eine Zeitlang eingesperrt und von einem Arzte behandelt, und so lange von dem Tische der Weißen gespeist, bis man sie wieder entlassen konnte. –

(Fortsetzung folgt.)


Cobbett und sein neuester Brief an das brittische Parlament.


(Schluß.)
An die collective Weisheit.

[1]

Kensington, 14 April 1828.

 Verehrtes Collectiv!

Vielfach sind die Puncte des Lobes, der Bewunderung und der Dankbarkeit, über welche ich, wenn ich Zeit und Raum hätte, eine Dankrede an Sie halten wollte. So scharf sind Ihre Brillen und zugleich so weit Ihr Gesichtskreis, daß in dem gesammten Kreise der Kunst wie der Natur nichts Ihrem alles spürenden, alles durchdringenden und alles umfassenden Blick und Geist entgehen kann. Die Beweise hievon sind ohne Ende; um aber nur zwei oder drei anzuführen; ein Pastetenbäcker in einem Landstädtchen, der unter seinen Leckereien Brandtewein-Kirschen verkaufte, fand, daß Ihr Auge durch sein Glas und durch die Haut seiner Kirschen gedrungen war, und mußte die Strafe dafür bezahlen, Ihre Verfügungen [2] außer Acht gelassen zu haben! Von dem Papier, auf welchem ich diesen Brief schreibe, haben sie die Länge und Breite in Zollen vorgeschrieben und folglich den Quadratinhalt. Den cubischen haben Sie zwar in der That nicht auf geometrische Weise vorgeschrieben; aber Sie haben dasselbe besser gethan (o weises Collectiv!) nach dem Gewicht. Wie? und es gibt Menschen, die behaupten, daß Sie in Schwierigkeiten sind mit Ihren Finanzen und wegen des Krieges, den Sie vor der Thür haben? Wie? können diese Männer, die zu Westminster sitzen, und ihre alles durchbohrenden Blicke durch die Haut jeder Kirsche in jedem Landstädtchen dieses großen Staates senden können, die nach geometrischen Grundsätzen und nach dem Reichsgewicht – regulirt nach den Schwingungen eines Penduls [3] bis auf die Größe und Schwere eines Haares die Quantität Papier zu bestimmen wissen, die erforderlich ist, um das, was darauf geschrieben wird, unschädlich zu machen; wie? können Männer, die so begabt sind, die geringste Schwierigkeit dabei finden, das einfache und gemeine Ziel zu erreichen, daß Sie die Interessen einer Schuld in Geld bezahlen ließen, statt sie in Papier bezahlen zu lassen?

Wenn ich unehrerbietige Personen ausrufen höre: „Was für – – e! ein Gesetz zu geben, um den Waizen 70 oder 80 Schilling das Quarter theuer zu machen, wenn sie zugleich ein Gesetz haben, das ihn auf 40 Sch. das Quarter stellen muß! Wenn ich solche Ausrufungen wie diese ghört habe, oder andere: „Was für – –en ! ein Gesetz zu machen, ihre Güter zu besteuern, um die tüchtigen Arbeiter aus dem Lande zu senden, während die alten und schwachen zu Hause zurück behalten werden, um sie auf diesen Gütern erhalten zu lassen!“ Wenn ich andere ausrufen gehört habe: „Was für – –sel! ein Gesetz zu machen, um die Summe der Schuld, die auf ihren Gütern haftet, zu verdoppeln, und dieß freiwillig zu thun!“ Wenn ich höre, daß Ihre Verächter auf diese Weise sich vernehmen lassen, so sage ich nur, da ich sie zu sehr unter der Würde eines Beweises achte: „Vergeßt nicht, was ihr sagt! Nehmt eure Zunge in Acht, ich will es aufschreiben, und erinnert euch, daß die collective Weisheit (wenn ich dieses Wort ausspreche, nehme ich immer den Hut herunter) ein Gesetz hat, euch auf Lebenszeit zu verbannen, wenn ihr das Geringste äußert das nur eine Tendenz hat, sie in Verachtung zu bringen!“

Diese Verfahrensweise finde ich immer äußerst wirksam; zuerst starren die Verächter mich an, wie gestochene Kälber; darauf fragen sie mich, ob es wirklich mein Ernst sey? und wenn ich die Parlamentsacte anführe, und die

  1. Nicht selten ist das Parlament – der Stolz von Old-England – von Parlamentsrednern selbst die versammelte Weisheit oder Intelligenz von England genannt worden: wie schneidend in Cobbets Munde dieß Epitheton ist, dürfen wir wohl kaum erwähnen. Der ganze Brief ist nichts als eine summarische Kritik der Parlamentsverhandlungen in der gegenwärtigen Sitzung. –
  2. Ueber den Verkauf starker Getränke.
  3. Dieß ist in der That bei dem neuen, seit dem Jahre 1826 eingeführten engl. Gewicht der Fall.
Empfohlene Zitierweise:
: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 530. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_554.jpg&oldid=- (Version vom 19.9.2023)