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Das Ausland. 1,2.1828

wiewohl selten, durch gegenseitige Uebereinkunft wieder aufgelöst wird.

Die Ceremonie der Taufe wird auf die Ankunft der Kauffahrteischiffe ausgesetzt, wo dann die Capitäne – sonderbar genug – die während des ganzen Jahrs gebornen Kinder taufen. Viele Kinder verdanken jenen aber noch mehr als die Taufe, und ich könnte wohl ein dutzend Kinder anführen, die blos zwei Capitänen angehörten. Diese beiden Männer hatten die Ansicht der Indianer über die Vielweiberei im weitesten Umfang angenommen, und sich dadurch mit denselben gewisser Maßen identifizirt. Ihre vollkommene Kenntniß des indianischen Charakters gab ihnen das Monopol des Handels dergestalt in die Hände, daß keine Concurrenz möglich war. Sie verstanden es dabei so trefflich, sich bei den Häuptlingen in Gunst zu setzen, daß ihre Ankunft für alle Klassen der Einwohner ein Fest war, wo getauft und geschwelgt wurde.

Weiter nördlich auf der Mosquitosküste liegt das ziemlich ausgebreitete Gebiet des Königs der Sambos. Georg Friedrich – dieß ist sein Name – erhielt in Jamaika eine englische Erziehung und wurde nach dem Tode seines Vaters, des Königs Georg, von dem ehrwürdigen Joseph Armstrong feierlich gesalbt und gekrönt. Aber die Kolonisten, welche die Lehrer des jungen Monarchen waren, scheinen nur sehr beschränkte Begriffe von den Pflichten des Königthums gehabt zu haben: denn sie lehrten ihren Mündel nichts so gut als die Kunst sich zu betrinken. Seine Majestät ist indessen nicht nur ein tapferer, sondern auch ein äußerst liebenwürdiger Zecher, auf dessen Humor die Freuden der Tafel die wohlthätigste Wirkung äußern. Seine Unterthanen fühlen sich nie glücklicher, als wenn der König einen Rausch hat: denn dann ist er so huldvoll, daß er keine Bitte abschlägt.

Mit Anbruch des Tages wurde ich durch Trommelschlag aus dem Schlaf geweckt. Schon waren die Leute auf den Beinen und eifrigst mit den Anstalten zum Empfang des Königs und zu einem Gastmahl für ihn beschäftigt. Er langte auf einem großen Kanoe, von zehn Personen begleitet, an; in zwei kleinern Kanoes sein übriges Gefolge, zwanzig Mann stark. bei der Landung empfingen ihn die Befehlshaber der Land- und Seemacht, Admiral Carnee und General Blyatt, nebst den Häuptlingen der benachbarten Districte. Die beiden Offiziere waren in großer Uniform mit goldenen Epaulett’s. Die Begrüßung selbst hatte nichts Feierliches; mit den Worten: „wie befindet ihr euch, König (how do you do King)?“ reichte man ihm die Hand – das war alles. Nachdem ich vorgestellt worden war und er mich über den Zweck meiner Reise befragt hatte, lud er mich ein, mit ihm nach dem Cap zu kommem, wo ich mich nach Belieben über Alles, was mich interessirte, unterrichten könnte.

Man denke sich einen jungen Mann von vier und zwanzig Jahren, mit hellbrauner Kupferfarbe, langen, auf der Stirn gescheitelten Haaren, die in geringelten Locken über Hals und Nacken fallen, niedlich geformten Händen und Füßen, schwarzen, ausdrucksvollen Augen, weißen Zähnen, und man hat eine ungefähre Vorstellung von dem Bilde des Königs der Sambos, die nicht ungünstig ist: dabei war er lebhaft und thätig; doch verrieth sein Aeußeres mehr Gewandtheit als Stärke. Seit vier Jahren war er an der Regierung. Ich fand ihn jedoch in der Folge in manchen Beziehungen so roh und wild als die Damhirsche auf den Sawannen, wo er geboren war. Während der Versammlung, die in der königlichen Wohnung gehalten wurde, kamen verschiedene Verwaltungs-Angelegenheiten, Rechtsfälle und andere Gegenstände von allgemeinem Interesse zur Berathung. Wie ich aber bemerkte, überließ Se. Majestät die Geschäfte der Entscheidung oben genannten Generalitäten dergestalt, daß Sie blos den Dekreten, die mit der gewöhnlichen Formel: „auf Befehl des Königs,“ ausgefertigt wurden, Ihre Namensunterschrift ertheilte. Solange die Sitzung währte, wurde keine Frau zugelassen, nachher aber, als das Bankett seinen Anfang nahm, durften einige eintreten, um für ihre Männer sorgen zu können, wenn diese im Rausch über die Stühle fielen.

Das Gelag artete bald in ein förmliches Bacchanal aus; rasch kreisten die Kürbisflaschen, zwei Männer schenkten ein und zwei Knaben warteten auf. Schottische und englische Tänze kamen an die Reihe; zuletzt wurde nicht mehr getrunken, sondern gesoffen, und es gab Scenen, welche diese Carricatur des Königthums vollständig machten.

Gegen Abend erhielt der König einen Besuch von seinem Oheim Andreas, Häuptling des Duckawara-Stamms, der eine der Lieblingsfrauen Seiner Majestät mitbrachte. Der Häuptling war ein kleiner untersetzter Mann, von rein indianischem Blute, voll Leichtigkeit in allen seinen Bewegungen, unter dessen Maske von Sorglosigkeit und Leichtsinn viel Feinheit und Verschmitztheit verborgen lag. Er sprach ziemlich gut englisch und unterhielt die Gesellschaft mit lächerlichen Geschichten, die er von jamaikanischen Kaufleuten erzählte, so wie mit witzigen und sarkastischen Einfällen, die er an die anwesenden alten Mosquitoshäuptlinge richtete. Blos das schallende Gelächter der Zuhörer unterbrach zuweilen den Erzähler. Der König machte mich gelegenheitlich darauf aufmerksam, daß ich mich nicht wundern dürfe, wenn er sich so benehme; dadurch, daß er sich nach den Neigungen der Eingebornen richte, suche er ihnen allmälig Geschmack an englischen Sitten beizubringen. „Sehen Sie,“ sagte er, „alle, die hier sind, haben Pulpera [1] abgelegt, und tragen jetzt Westen, Hosen und Hüte.“

Seine Majestät erzeigte mir die Gnade, mich zu einer Sauteuse aufzufordern, die wir dermaßen zum Entzücken seiner Unterthanen tanzten, daß sie nicht müde wurden, ihr Dacapo zu rufen. Der General Blyatt hatte Befehl, zu verhindern, daß Niemand in den Ballsaal dringe; aber das laute Getöse unsrer Musik und die Nachricht, daß Frauen angekommen seyen, zog eine Masse Leute herbei, die sich um das Haus versammelten und alle Ausgänge besetzt hielten. Als wir endlich, durch die Hitze und den Mangel an frischer Luft genöthigt, zum großen Verdruß der Indianer unsern Tanz einstellten, schlug der gute Fürst

Empfohlene Zitierweise:
: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 535. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_559.jpg&oldid=- (Version vom 17.5.2023)
  1. die früher angeführte indianische Kleidung aus gegärbter Rinde