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Das Ausland. 1,2.1828

Theil dieser Pariakaste zu der oft ekelhaften Umarmung ihrer Tyrannen zugelassen, oft sogar gezwungen. Die Früchte dieser Vereinigung, welche bei Leuten von den Grundsätzen ihrer Herrn unstreitig ein Akt von Bestialität ist, und nach göttlichen und menschlichen Gesetzen mit dem Tod bestraft werden sollte, sind Sklaven. Sie unterscheiden sich nach den verschiedenen Stufen der Abstammung durch folgende Namen. Ein Samboe steht dem Schwarzen am nächsten; er ist das Kind eines Mulattenvaters und einer Negermutter oder umgekehrt. Ein Mulatte ist das Kind eines weißen Vaters von einer Negerin. Quadroon heißt das Kind einer Mulattenmutter von einem weißen Vater. Das Kind einer Quadroone von einem Weißen ist ein Mustea. Das Kind eines weißen Vaters mit einer Musteamutter ein Musteaphini. Das Kind eines Musteaphini von einem weißen Vater ein Quintroon oder Quinteron, und das Kind einer Quintroon von einem Weißen ist frei nach dem Gesetz. Welch schreiendes Unrecht nach diesem unmenschlichen Gesetze verübt wird, zeigt uns nachstehende Erzählung.

Zu der zum Verkauf festgesetzten Stunde betrat Marly das zum Verkauf bestimmte Lokale, und sogleich fesselten seine Aufmerksamkeit drei anständige, gutgekleidete Mädchen, welche verkauft werden sollten. Sie waren Schwestern, und gehörten zu der Kaste der Mustees, da sie eine Quadroone zu Mutter und einen Weißen zum Vater gehabt hatten. Ihre schönen Formen, ihre auffallend gebildeten Manieren, die sanften, gefälligen ganz europäischen Gesichtszüge, ihre reinliche, sogar elegante Kleidung. so wie der feine Anflug von Röthe, welche die Scham über diese öffentliche Ausstellung über ihr Gesicht ergossen hatte – Alles vereinigte sich, diese Gruppe interessant zu machen. Alle Anwesenden fühlten Mitleid mit ihrem jammervollen Schicksal. Ihr Vater war ein angesehener Mann, und hatte sie mit seiner braunfarbigen Sklavin erzeugt. Er erzog sie als seine rechtmäßigen Kinder auf gleichem Fuße mit den freien Insulanerinnen. Sie hatten in jeder Hinsicht eine Behandlung genossen, wie sich bei den freigebornen Kindern eines nicht unbemittelten Vaters erwarten ließ; so daß ihnen kein Gedanke kam, sie würden in die unglückliche Lage versetzt werden, als Sklavinnen öffentlich an den Meistbietenden feilgeboten zu werden. Ihr Vater hatte es zum Unglück von einer Zeit auf die andere verschoben, sie für frei zu erklären (ihre Mutter war als Sklavin gestorben) bis ihn der Tod von den Seinen abrief. Sein Vermögen fand man in solcher Zerrüttung, daß seine Gläubiger auf sein ganzes Eigenthum, und selbst seine Kinder als einen Theil desselben Beschlag gelegt hatten, und so wurden diese Mädchen, um die Schulden ihres Vaters zu decken, zum Verkauf ausgeboten. Allein kein Käufer wollte sich zeigen. Zu wiederholten Malen zur öffentlichen Versteigerung ausgestellt, konnten sie immer nicht verkauft werden.

Bei ihrem Anstand, ihrer guten Erziehung, und ihrem gefälligen Aeussern hätten sie in England als Hausmütter ein sorgenfreies Unterkommen gefunden. Aus denselben Gründen wollte sich auch in Jamaika kein Käufer finden; da die ganze Nachbarschaft Schande über den gerufen hätte, welcher sie zur Arbeit oder zum Sklavendienst angestellt haben würde. Man gestattete ihnen somit, frei umherzugehen, als ob sie freigeborne wären; da die Eigenthümer auf Jamaika (zu ihrer Ehre sey es gesagt) noch nicht gelernt haben, mit der Schönheit ihrer weiblichen Sklavinnen zu wuchern; was viele ehrenwerthe Damen holländischer Abkunft auf dem Kap (die ihre Köpfe sehr hoch tragen, und sich noch zu den vornehmen Familien rechnen) sehr vortheilhaft finden.

Wenn wir von den Sklaven zu ihren Herren aufsteigen, so finden wir, daß sie, von Kindheit auf im Verkehr mit jenen aufgewachsen, weder in Hinsicht des Geistes noch in den Sitten sehr ausgebildet sind. Folgende Anekdote gibt uns einen Begriff von der feinen Welt auf der Insel. Die Heldin der Erzählung ist eine Creolin, mit welcher Marly auf einem Balle getanzt hatte. Aus diesem Grunde bezeugte er dem Frauenzimmer auch noch den Rest des Abends seine Aufmerksamkeit; er fand in ihr ein lebhaftes gutmüthiges Mädchen, das aber nur halb gebildet war, und noch zuviel von dem Neger-Umgang hatte. Er fragte sie einmal, da sie gerade etwas zerstreut war, irgend etwas, worauf sie erwiederte: ich weiß es nicht, Massa. Sie verbesserte sich im Augenblick, und suchte einen Scherz daraus zu machen, allein es wollte sich nicht thun. Ihre Inselerziehung hatte sich hierin und in mehreren andern Reden, die ihr entschlüpften, zu offen kund gegeben.

Am nächsten Vormittag führte ihn sein Weg an der Wohnung dieser Dame vorbei. Er rief an, um sich zu erkundigen, wie sich die schönen Bewohnerinnen nach den Strapazen der vergangenen Nacht befänden; da aber kein Sklave erschien, überließ er sein Pferd seinem Diener und trat ohne weitere Umstände in das Haus. Obgleich dieses elegant war, und der Vater sich dem Vernehmen nach in guten Vermögensumständen befand, so traf er doch seine schöne Tänzerin mit ihrer Schwester und noch zwei andern Kreolinnen zu ihrem großen Leidwesen, wie sie gerade aus einem eisernen Napfe ein Potpourri, das man dort zu Lande ein Okra Pepperpot nennt, ganz à la Neger verzehrten, ohne Tisch, Teller, Löffel, Messer oder Gabeln zu Hülfe zu nehmen, obgleich das Zimmer mit allen diesen Artikeln reichlich versehen war – ob sie es aus Indolenz oder aus Bequemlichkeit, um nicht einige der (zahlreichen) Dienstboten herbeirufen zu müssen, oder aus Vorliebe für die Negerweise, als der naturgemäßeren, thaten, will Marly nicht entscheiden. Sie saßen rings um den Napf auf den Boden niedergekauert, indem sie nach einander ihre Finger in das dicke Gemengsel steckten und damit nach dem Munde fuhren. Bei diesem Mahle überrascht flohen sie, so schnell als ihre Füßchen vermochten, in das Nebenzimmer, wo dann ein Mulattenmädchen erschien und auch den Speisenapf flüchtete.

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: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 539. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_563.jpg&oldid=- (Version vom 19.9.2023)