Seite:Das Ausland (1828) 577.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Das Ausland. 1,2.1828

Das Ausland.
Ein Tagblatt
für Kunde des geistigen und sittlichen Lebens der Völker,
mit besonderer Rücksicht auf verwandte Erscheinungen in Deutschland.

Num. 139. 18 May 1828.

Der Krieg zwischen Rußland und Persien.[1]


(Schluß.)

Eriwan, eine große Stadt, aber durch vielfache Belagerungen in früherer Zeit entvölkert, wurde seit dem letzten russischen Kriege von den Persern allgemein als die unbezwingliche Vormauer ihres Reiches betrachtet. Im Jahr 1808, als General Godowitsch nach einer Blokade von beinahe sechs Monaten die Stadt durch Sturm zu nehmen versuchte, weil er bei der Herannäherung des Winters keine Aussicht zu ihrer Uebergabe hatte, wurde er mit großem Verlust zurückgetrieben, und verlor auf seinem Rückzug nach Tiflis die Hälfte seiner Armee. In den Kriegen zwischen den Türken und Persern war Eriwan jedoch mehr als einmal erobert worden, und erst seit dem Frieden Nadir Schahs im Jahre 1748 im ununterbrochenen Besitz der letzteren geblieben [2]. Im gegenwärtigen Augenblick, wo der Erbprinz sich von dem besten Theil seiner Truppen entblößt hatte, um die Festungen an der Nordgrenze zu besetzen, verbreitete der plötzliche Fall eines Platzes, auf dessen Behauptung die letzte Hoffnung gesetzt schien, weit und breit einen panischen Schrecken. An Anstalten zur Gegenwehr war nicht zu denken; nur die Avantgarde eines vorgeschobenen russischen Corps brauchte sich zu zeigen, um alle Thore zu öffnen. Selbst Tauris, die Hauptstadt der Provinz Aserbeidschan, eine große Stadt, zu Chardins Zeiten mit einer halben Million, jetzt vielleicht 50,000 Einwohnern, in einer reichen und fruchtbaren Ebene gelegen, [3] wo sich der Assuf ed Daulah in Person befand, fiel auf diese Weise in die Hände des Feindes: die unregelmäßigen Truppen aus dem südlichen Persien, welche zur Besatzung bestimmt waren, zerstreuten sich, die Sarbas wurden von den Einwohnern zur Flucht gezwungen, um die Stadt nicht durch einen nutzlosen Vertheidigungs-Versuch den Gefahren einer Plünderung blos zu stellen. Ueberall brach der lange verhaltene Unmuth des Volkes in Meutereien und offene Gewaltthätigkeiten gegen die Freunde und Anhänger der Regierung aus; in Maragha, am Urmia See, wurde der Gouverneur, ein Schwager des Prinzen, den schmählichsten Beschimpfungen ausgesetzt und aus der Stadt vertrieben.[4]

Abbas Mirza, der sich mit dem Reste seiner Truppen gegen Salmas und in die Alpengegenden des Urmia Sees zurückgezogen hatte, vernahm kaum die Nachricht von der Einnahme von Tauris, als er, das Aergste befürchtend, alles aufbot, um durch Unterhandlungen den Fortschritten der russischen Waffen Schranken zu setzen. Fast gleichzeitig mit dem Bericht des Generals, der Tauris besetzt hatte, war in dem Hauptquartier ein Schreiben des Prinzen eingegangen, worin er um eine Zusammenkunft mit dem russischen Feldherrn, General Paskewitsch, bat. Noch ehe dieser über den Ort derselben sich erklärt hatte, sandte der Prinz seinen Kaimakan (dritten Minister) an den General, der inzwischen in Tauris eingetroffen war. Unter der Bedingung, daß die persischen Truppen bis zum Abschluß des Friedens die ganze Provinz Aserbeidschan räumten, wurde ein Waffenstillstand bewilligt. Bald darauf hatte Abbas Mirza eine Zusammenkunft mit General Paskewitsch; am 10 November wurden die Friedensunterhandlungen, auf den Grund der bereits vom Kaimakan abgeschlossenen Präliminarien, eröffnet, und zwei Tage darauf ward der definitive Friedenstractat entworfen.

Rußland von dem Ausbruch einer verhängnißvollen Krisis in Europa bedroht, machte mäßigere Forderungen, als Persien vielleicht unter andern Umständen zu erwarten gehabt hätte. Die Abtretung der Khanate Eriwan und Nakhschiwan und eine Geldentschädigung für die Verluste der russischen Unterthanen in Georgien und die vom Staate aufgewandten Kriegskosten waren Bedingungen, die bereits bei Eröffnung des ersten Feldzuges, als die russischen Heere noch kaum das persische Gebiet betreten hatten, gesetzt worden waren, und außer allem Verhältniß zu den seitdem erfochtenen Vortheilen standen.

Um so mehr mußte es den russischen Feldherrn, so wie Abbas Mirza selbst überraschen, als der Schah, anfangs bereitwillig, sich den härtesten Forderungen zu unterwerfen, jetzt plötzlich Schwierigkeiten machte, einen so günstigen Tractat zu ratificiren. Er verlangte, daß die Russen ohne Verzug die Provinz Aserbeidschan räumen, und sich auf das linke Ufer des Arras zurückziehen sollten; widrigenfalls müsse er die Unterhandlungen als abgebrochen betrachten.


  1. Hiezu eine Karte von Armenien und Georgien mit den neuesten Grenzbestimmungen des Friedens von Turkmantschai, den 21 Febr. 1828.
  2. Macdonald Kinneir, Memoir on Persia. p. 325
  3. Macdonald Kinneir p. 151.
  4. Vergl. Ausland, Nro. 113-121.
Empfohlene Zitierweise:
: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 553. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_577.jpg&oldid=- (Version vom 25.9.2023)