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Das Ausland. 1,2.1828

Die Vorposten der Bhurtpurer zogen sich ohne Widerstand zurück; aber von den Wällen wurde sogleich ein heftiges Feuer von Kanonen und Musketen eröffnet, und ein Cavallerie-Corps zeigte sich auf dem Glacis, wie es schien, um einen Angriff zu versuchen. In diesem Augenblick erschienen 200 Mann von der brittischen leichten Reiterei, und der Feind, der sich bereits in Bewegung zu setzen anfing, machte Halt. Das Feuer wurde hierauf mit größerer Heftigkeit erneut; die Bastionen waren indeß so hoch, daß die Kugeln größtentheils über den Köpfen der Engländer wegflogen und die Recognoscirung des ganzen Platzes wurde daher vollendet, ohne einen größeren Verlust als den von sieben Todten und eilf Verwundeten gekostet zu haben.

Es war wunderbar zu bemerken, welche Wirkung diese Kanonade auf die zahlreichen Heerden wilder Thiere hervorbrachte, die den Wald einnahmen. Ungewohnt solcher Begrüßungen, sah man sie in ganzen Haufen durch das Gebüsch stürzen, die schüchternsten und reissendsten unter einander, während eine nicht geringe Anzahl von ihnen ihr Leben durch die Geschosse verlor, die über die englischen Truppen unschädlich hinwegflogen. Die Belagerten nahmen jedoch bald wahr, daß ihr Feuer zu hoch gehe, und beeilten sich diesen Fehler zu verbessern, indem sie ihre Schießscharten erniedrigten.

Nachdem die verschiedenen Corps der brittischen Armee ihre Stellen eingenommen, fing man an, mit dem angestrengtesten Eifer die Vorbereitungen zu einer regelmäßigen Belagerung zu treffen. Jeden Morgen wurden zahlreiche Abtheilungen entsandt, um aus den Orangen- und Dattelbäumen des nahen Waldes Faschinen und Schanzkörbe zu bereiten. Mehrere Recognoscirungen wurden unternommen, um die schwächsten Seiten des Platzes kennen zu lernen, und das Geschütz und die Munition jeder Art wurde an zweckmäßigen Puncten in Parks aufgestellt. Auch einige Scharmützel zwischen der beiderseitigen Cavallerie fanden statt; das Dorf Mullah wurde von einem Bataillon Seapoys besetzt, welches sich darin verschanzte; endlich ward der Befehl ertheilt, daß in der Nacht vom 23ten die wirklichen Belagerungsarbeiten ihren Anfang nehmen sollten.

Die Angriffspuncte, welche man gewählt hatte, waren zwei Bastionen auf der Nord-Ost-Seite der Festung; die eine etwas zugespitzt und daher „die Bastion mit dem langen Nacken“ genannt, die andere ungefähr 300 Schritt zur Linken kreisförmig. Um die Operationen gegen dieselben zu erleichtern, war es nothwendig, Posten auszustellen – zur Linken in dem Dorfe Kuddum Khundy, zur Rechten in den Gärten des Bulder Singh. Das Dorf und die Gärten wurden daher besetzt und ein starker Transport von Schanzgeräthschaften wurde nach dem ersteren geführt, um in der nächsten Nacht die Arbeiten an den Laufgräben beginnen zu können. Die Wagen, auf welchen diese Geräthschaften geführt wurden, kamen indeß nicht vor Sonnenaufgang an ihrer Bestimmung an; und so wie der Feind sie bemerkte, ward ein fürchterliches Feuer gegen sie eröffnet. Die Treiber flohen, und das Zugvieh, das sich, von allen Seiten von Kugeln umflogen, nicht mehr zu helfen wußte, wurde in großer Menge niedergeworfen. Dieß dauerte den ganzen Tag, während eine Abtheilung, welche unter dem Schutz von Baumwollenballen am äußersten Ende des Dorfes eine Batterie von vier Kanonen aufwerfen wollte, gezwungen wurde, von ihrem Vorhaben abzulassen, nachdem sie bedeutenden Verlust erlitten.

Sobald die Nacht einbrach, wurde das Feuer der Belagerten schwächer, worauf die Schanzgeräthschaften herbeigebracht und vertheilt und die erste Transchee begonnen wurde. In kurzer Zeit war die erste Parallele von Bulder Singh’s Garten bis Kuddum Khundy bezeichnet; und als der Morgen dämmerte, fand man es bereits sicher, die Arbeiten den ganzen Tag über fortzusetzen. Zu gleicher Zeit waren zwei Batterien aufgeworfen worden; die eine für Achtzehnpfünder vor dem Dorfe, die andere für vier Geschütze bestimmt, vor dem Garten, so wie zwei Mörserbetten für achtzöllige Mörser. Die Artillerie wurde hineingebracht, und alles war bereit, sobald die Kanoniere ihr Ziel unterscheiden könnten, das Feuer zu eröffnen. Dieß geschah zu einer frühen Morgenstunde und wurde mit solcher Thätigkeit forgesetzt, daß vor Abend das feindliche Feuer geschwächt ward. Dadurch wurden die Belagerer in den Stand gesetzt, mit verhältnißmäßiger Sicherheit die zweite Parallele anzufangen, die in der Nacht zum 25ten 250 Schritt vom Glacis vollendet wurde. Die Belagerten [WS 1] thaten alles, was in ihren Kräften stand, dieß Werk zu unterbrechen. Sie unterhielten ihr Feuer auf das Lebhafteste und machten zwei Ausfälle, den ersten um acht Uhr Abends, den andern des Morgens um drei. Sie wurden jedoch beidemale zurück geworfen, ohne daß die Engländer dabei mehr als einen Todten und einige Verwundete verloren hätten.

Während des ganzen 25ten wurde das Feuer unausgesetzt unterhalten, sowohl aus den Batterien der Belagerer als aus der Stadt; von der Wirkung, welche der durch die Wälder wiederhallende Kanonendonner hervorbrachte, kann man sich kaum eine Vorstellung machen. Zu gleicher Zeit wurde unablässig daran gearbeitet, frische Batterien und Communicationstranscheen von Posten zu Posten aufzuwerfen, indeß eine Anzahl von Vierundzwanzigpfündern in die zweite Parallele gebracht wurde, die bald ein heftiges Feuer eröffneten. Die Nacht ging in ungewöhnlicher Unruhe vorüber, weil man Nachricht erhalten hatte, daß die Belagerten einen verzweifelten Versuch machen würden, die Werke der Engländer zu zerstören und sich ihrer Kanonen zu bemächtigen. Die Wachen in den Transcheen wurden daher verdoppelt und jede Anstalt getroffen, die drohende Gefahr zurückzuweisen; doch verlief Stunde nach Stunde, ohne daß ein Lärmzeichen gegeben worden wäre, und der folgende Morgen fand alles in demselben Zustand, in welchem es gewesen war, als der Abend eintrat.

(Fortsetzung folgt.)

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Belagerer
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: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 564. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_590.jpg&oldid=- (Version vom 2.10.2023)