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Das Ausland. 1,2.1828

wie durch die Macht eines Zaubers auf ein Mal der ganze Platz illuminirt war, indem tausend Lichter über die Brustwehren hingen, tausend flammende Fackeln sich in allen Richtungen auf den Wällen bewegten. Es ist unmöglich, sich ein glänzenderes Schauspiel zu denken, als das, welches die Stadt darbot; aber zu welchem Zweck sie auf diese Weise erleuchtet wurde, vermochte die fruchtbarste Phantasie nicht zu errathen, da weder ein Ausfall gemacht, noch irgend eine andere Operation unternommen wurde. Nachdem die Lichter ungefähr eine Viertelstunde gebrannt hatten, wurden sie alle eben so plötzlich wieder ausgelöscht. Wahrscheinlich ward das ganze Schauspiel nur in der Absicht aufgeführt, die Flucht einiger Personen von Bedeutung zu begünstigen.

Auf diese Weise wurde die Belagerung fortgesetzt, und die Fortschritte derselben, wenn auch langsam, wurden jeden Tag mehr und mehr bemerklich. So ward am 1 Januar der Posten von Kuddun Khundy aufgegeben, weil er zu weit rückwärts lag; am 2ten wurden neue Batterien zur Rechten und Linken des Angriffspunkts aufgeworfen und eine Mine angefangen, um die Contrescarpe des Werkes, in welchem man Bresche schießen wollte, in die Luft zu sprengen und dadurch die ganze Brustwehr dem Geschütz bloß zu stellen. Aber wenn auch die Wirkung der neuen Batterien bald sichtbar wurde, so sahen die Belagerer doch, was sie des Tages niedergeworfen hatten, ungeachtet ihres unablässigen Kartätschen- und Bombenhagels auf die Ruinen, am andern Morgen wieder aufgebaut, so daß sie jeden Tag dieselbe Arbeit von vorn anzufangen hatten. Auch die Feuer, welche in der Stadt ausbrachen, wurden mit gleicher Beharrlichkeit wieder gelöscht; und es war daher klar, daß man sich genöthigt sehen werde, den Erfolg des langsamen aber sicheren Weges der Minen zu erwarten, in denen es häufig, wenn Minirer und Gegenminirer sich begegneten zu Gefechten kam, die aber immer zum Nachtheile der Belagerten ausfielen.

Die Mine, welche unter der Gopal Ghur Bastion angelegt worden war, um die Contrescarpe derselben zu zerstören, wurde am 7ten Januar gesprengt, hatte aber, außer der Unruhe, welche sie in dem Platze erregte, wenig oder gar keine Wirkung; die Contrescarpe blieb unversehrt und der Wall stand in ihrem Schutz, wie vorher. Doch zweigte es sich, daß der Usurpator sein Vertrauen auf die uneinnehmbare Festigkeit seiner Werke zu verlieren anfing; denn er sandte eine Stillstandsflagge heraus und erbot sich, sofern die Festung und ihre Garnison verschont würde, sich selbst der Gnade der Engländer zu überliefern. Die Antwort war: er möge thun, was ihm beliebte, die Operationen gegen Bhurtpur würden aber nicht eher aufgegeben werden, als bis der Platz eingenommen sey.

Da es nun wahrscheinlich wurde, daß Bhurtpur alle Schrecken eines Sturmes bevorständen, so erließ Lord Combermere eine Bekanntmachung, worin er allen unbewaffneten Einwohnern, welche die Stadt verlassen wollten, freien Durchzug durch seine Linien versprach. Die Folge hievon war, daß eine große Menge Weiber und Kinder, alle in dem hülflosesten Zustande, aus den Thoren herauskamen; sie wurden sicher durch das Lager geführt und erhielten darauf die Erlaubniß zu gehen, wohin sie wollten. Während dieß noch geschah, flog eine Mine auf, die unter der Conctrescarpe des der rechten Attaque gegenüberliegenden Werkes gegraben worden war. Sie hatte eine viel bedeutendere Wirkung als die erste, und zerstörte einen beträchtlichen Theil des Werkes. Die Freude über diesen Erfolg wurde indessen durch einen Unfall gestört, welcher den gesunkenen Muth der Belagerten aufs neue ermunterte. Ein Magazin von nicht weniger als 800 Kanonenladungen, das hinter einer alten Mörserbatterie angelegt worden war, wo man es für vollkommen sicher hielt, flog in die Luft, wobei mehrere tausend Faschinen, Schanzkörbe und Sturmleitern zerstört wurden, und 11 Mann, die sich in der Nähe befanden, das Leben verloren. Kaum hatte diese Explosion statt gefunden, als die Feinde ein fürchterliches Feuer eröffneten, wahrscheinlich in der Absicht, die Rettungsversuche der Engländer zu hindern; und in jedem Zwischenraume zwischen dem Donner des Geschützes hörte man im brittischen Lager das Jubelgeschrey der Bhurtpurer.

Die hauptsächlichsten Bemühungen der Engländer gingen jetzt auf die Erbauung von zwei Minen, welche unter der Bastion mit dem langen Nacken und unter der rechten Attaque oder der Gopal Ghur Bastion angelegt werden sollten. Um diese Arbeit zu fördern, wurde ein Zickzack angefangen, welches am 9ten bereits bis auf 20 Schritt von der Contrescarpe geführt war. Am 11ten wurde das Werk der früheren Tage erweitert, und zugleich eine Sappe aus Schanzkörben mit Baumwolle gefüllt, bis an den Rand der Contrescarpe getrieben und die äußersten Posten der Belagerer dadurch der Festung so genähert, daß sie einen Stein hätten hineinwerfen können. Die Sappe war indessen schlecht und gewährte kaum Schutz gegen Musketenkugeln; sie wurde daher nur gebraucht, um die Arbeiten der Minirer zu decken, die auf das eifrigtste beschäftig waren, ihren Schacht auszugraben. Als dieß geschehen war, wurden zwei Gallerien zur Rechten und Linken unter der Bastion mit dem langen Nacken angelegt und die beiden Kammern angefangen, von denen die eine für 5000, die andere für 4000 Pf. Pulver bestimmt war.

Diese ganze Zeit über dauerte der Donner der Kanonen und das Krachen des Kleingewehrfeuers Tag und Nacht ununterbrochen fort. Des Tages wurde aus den Breschebatterien gefeuert, indeß die Infanterieposten aus den nächsten Transcheen einen Regen von Kugeln auf die Schießscharten und über die Brustwehren der Werke vor ihnen schütteten. Des Nachts reinigten Kartätschen und Kettenkugeln die Breschen, um die Feinde zu verhindern, sie wieder auszufüllen, oder Traversen hinter denselben anzulegen. Aber es war kein Zweifel, daß wenn die Minen fehlschlügen, alles Feuern umsonst bleiben würde. Wenn man in den Graben hinabsah, zeigte sich nicht nur eine, man wußte nicht, ob große oder kleine Quantität Wasser in denselben, sondern auch eine Contrescarpe von 40 Fuß Höhe, die man hinabsteigen mußte, während man von der Scarpe selbst noch volle 30 Fuß stand.

(Schluß folgt.)
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: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 568. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_594.jpg&oldid=- (Version vom 7.10.2023)