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Das Ausland. 1,2.1828

herab, gegen die Belagerer gerichtet wurde. Dieß war die Lage der Dinge, als Lord Combermere in den Transcheen ankam; er sah, daß das 14te Regiment nur wenige Schritte von der Mündung der Mine entfernt stand, und fragte den Ingenieur, ob die Mannschaft in dieser Nähe keine Gefahr liefe. Die Antwort war verneinend; und der General hatte sich kaum entfernt, als die Mine aufflog. Der ganze Wall der Bastion wurde plötzlich, wie durch ein Erdbeben, emporgeworfen. Es war kein Geräusch, keine Explosion, zufällig hatte in diesem Augenblick selbst das Feuern aufgehört; aber der Wall hob sich, gleich einem Schiff, das auf den Wogen schwankt, und sank wieder herab. Dieß geschah zweimal und dann flogen mit einem Getöse, gegen welches der lauteste Donner Musik ist, Steine, Erde, Balken, Kanonen und Menschen in die Luft. Sobald diese schreckliche Explosion vorüber war, hörte man von allen Seiten das Geschrei und Wimmern der Verwundeten, zum Zeichen, daß die Versicherungen des Ingenieurs von der Gefahrlosigkeit des Standpunktes der Colonne ungegründet waren; woher diese Töne kamen, war aber unmöglich zu unterscheiden, da alles in eine dicke Wolke von Dampf und Staub gehüllt war, in welcher es nicht leicht war zu athmen, viel weniger um sich zu blicken.

Durch diese Dampfwolke stürzte die Colonne über die Leichen von anderthalbhundert ihrer Kameraden, welche beim Auffliegen der Mine ihren Tod gefunden hatten, auf die Bresche und begann in einem Augenblicke, sie zu ersteigen. Der Widerstand, den sie fand, obgleich ausgezeichnet durch die Tapferkeit Einzelner, war weder regelmäßig noch hartnäckig; das 14te Regiment gewann die Höhe mit verhältnißmäßig unbedeutendem Verlust. Da jedoch die eingebornen Truppen, die zu ihrer Unterstützung beordert waren, noch zurückblieben, so machten die Britten jetzt Halt, um jene zu erwarten, als aus den Häusern und Gebäuden in der Nähe ein mörderisches Feuer auf sie eröffnet wurde. Sie wurden indessen dadurch nicht entmuthigt, sondern wandten sich, wie sie den Befehl erhalten hatten, zur Rechten des Walls und trieben den Feind, ohne einen Stoß zu erhalten, von Thurm zu Thurm und von Bastion zu Bastion. Inzwischen waren auch ihre Kameraden vom 59sten Regiment nicht zurück; sie hatten ihre Bresche in einem Anlauf genommen und darauf, sich rechts schwenkend, den Wall von allen Feinden gereinigt, die ihnen begegneten.

Das Blutbad, während dieses Gefechts, war fürchterlich, besonders unter den Bhurtpurer Galondschis oder Artilleristen, die wie Verweifelte fochten und sich auf ihren Kanonen niederstechen ließen, ohne Pardon zu nehmen. Eine starke Abtheilung Ghats, die dem 59sten Regiment gegenüberstand, hatte in einer Straße Posto gefaßt, die einen rechten Winkel mit dem Wall bildete; und hier vertheidigten sie sich mit einem Muthe, der selbst nach dem eigenen Geständniß der Engländer ein besseres Loos verdient hätte. Sie wehrten sich bis auf den letzten Mann; und nachdem der Kampf beendigt war, lagen mehr als vierhundert Leichen da, jeder auf dem Platze, den er bis zum letzten Athemzuge behauptet hatte. Das schrecklichste Schicksal indessen war das der Bhurtpurer Musketiere, die verwundet niederfielen. Ihre Kleider waren dick mit Baumwolle wattirt, und da die Lunte, deren sie sich zum Abfeuern ihrer Gewehre bedienen, an ihrem Wamms befestigt war, so fingen sie Feuer und viele von ihnen verbrannten auf diese Weise, die sonst leicht noch mit dem Leben davon gekommen wären.

Endlich stießen die Spitzen der beiden Colonnen, nachdem sie den ganzen Wall gereinigt hatten, auf einander, und begrüßten einander mit herzlichem Zuruf. Auch die Seapoys, die, durch die Heftigkeit der Explosion überrascht, einen Augenblick geschwankt hatten, waren während dieser Zeit in die Stadt gedrungen und folgten dem Beispiel der Europäer, indem sie für die Grausamkeiten Rache nahmen, welche die Besatzung bisher an denjenigen ihrer Kameraden geübt hatte, die ihr in die Hände gefallen waren.

So wurde die Stadt Bhurtpur genommen; die Citadelle allein hielt sich noch bis um zwei Uhr Nachmittags, wo sie sich gleichfalls ergab. Die Besatzung hatte während der Belagerung an 10,000 Mann verloren, wovon mehr als die Hälfte in dem Sturm getödtet wurden; der Verlust der Engländer betrug nach ihren Angaben nicht mehr als 1,000 Mann von allen Graden, darunter jedoch mehrere ausgezeichnete Offiziere, wie der Brigade-General Edwards, der an der Spitze seiner Truppen, von Wunden durchbohrt, den Tod fand. Aber bei der Wichtigkeit der Eroberung und der moralischen Wirkung derselben durch ganz Indien, konnte dieß für keinen zu theuern Preis gelten. Bhurtpur wurde in ganz Ostindien für uneinnehmbar gehalten; und häufig hörte man unter den Eingebornen die Bemerkung, daß Indien nicht unterworfen sey, da Bhurtpur nicht gefallen wäre.

Es darf kaum erwähnt werden, daß, sobald die Nachricht von der Einnahme von Bhurtpur sich verbreitete, alle andern Städte des Fürstenthums sich beeilten, ihre Unterwerfung anzubieten, und daß der Krieg ein Ende hatte. Der junge Rajah Bulwent Singh wurde darauf in die Residenz seiner Väter geführt und von Lord Combermere auf den Thron gesetzt; während der Usurpator Durschun Sal, bei einem Versuche sich durch die Flucht zu retten, in die Hände der englischen Reiterposten fiel, die um die Festung aufgestellt waren, und als Staatsgefangener in das Fort Allahabad gebracht wurde, wo er noch in dem gegenwärtigen Augenblicke aufbewahrt wird.

So war eine von den schwersten Gewitterwolken, welche seit vielen Jahren den Horizont des brittischen Reiches in Ostindien verdunkelt hatten, zerstreut.



Fernando Po.

Die neuesten Nachrichten aus der neuen brittischen Niederlassung auf Fernando Po lauten sehr günstig. Von 170 Europäern sind in den ersten fünf Monaten blos fünf gestorben, obgleich die Colonisten während dieser Zeit doch nothwendig manchem ausgesetzt waren. Die Krankheit, von der sie am meisten zu leiden hatten, wird als eine Art ansteckendes Geschwür beschrieben. Die Eingebornen bleiben bei ihrer freundschaftlichen Stimmung gegen die Colonisten.

the Sphynx, May 7.
Empfohlene Zitierweise:
: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 572. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_598.jpg&oldid=- (Version vom 23.11.2023)