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Das Ausland. 1,2.1828

Das Ausland.
Ein Tagblatt
für Kunde des geistigen und sittlichen Lebens der Völker,
mit besonderer Rücksicht auf verwandte Erscheinungen in Deutschland.

Num. 148. 27 May 1828.

Persische Skizzen.

[1]


Die Seereise. Muskat.

„Land!“ rief man vom Mastkorb herab. „Wie sieht es aus?“ „Hochland Herr, s’zieht sich gegen Nordwest.“ „Kann ich es vom Steuerbord sehen?“ „Nein.“ „Nun,“ sagte der Capitän, „wir haben es gut getroffen: in drei bis vier Stunden sind wir in Muskat.“ Und so war es. Bald stiegen die unfruchtbaren Küsten Arabiens aus dem Meer, und wenn ich mich auf malerische Landschaftsschilderung verstände, so würde ich den Contrast nachweisen zwischen ihnen, die keine Spur einer lebensfähigen Natur verriethen, und zwischen den schattenreichen Gestaden Ceilan’s und den dunkeln Forsten der Gebirge Malabar’s, an denen wir vorbei gesegelt waren.

Eine lange Seefahrt hat etwas Einförmiges, wovon man, wer nie den weiten Ozean durchmessen hat, sich keine Vorstellung machen kann. Günstiger oder widriger Wind, Meeresstille oder Sturm, ein fremdes Schiff, das man sieht oder dem man begegnet, ein Hai, der in die Angel beißt, oder ein Mensch, der über Bord fällt, sind Ereignisse, die einen augenblicklichen Stoff zur Unterhaltung geben; aber bald sinkt der Reisende in seine vorige verdrießliche und unruhige Stimmung zurück: er geht in die Kajüte, um seinen Gedanken nachzuhängen, in der nächsten Viertelstunde ist er schon wieder oben auf dem Verdeck, hält sich am Takelwerk, wenn das Schiff auf den hohlen Wellen schaukelt, blickt in’s Meer hinaus, gibt auf den Mann Acht, der den Log berechnet, und wartet mit Aengstlichkeit auf zwölf Uhr, wo die Breite bekannt gemacht wird. Zu den kleinen Beilagen seines Tagebuchs gehört denn, daß er einmal dem Offizier der Wacht ungeschickt in den Weg kommen muß, ein andermal den Capitän in seiner Längenrechnung stört, indem er lacht oder mit andern Müßiggängern – dieß ist die Rubrik, unter welcher er in der Schiffsliste vorkommt – plaudert. Wenn aber endlich der Ruf „Land“ erschallt, gleich ist die Phantasie beschäftigt, das reizendste Bild sich davon zu entwerfen. Ob ich gleich die Gegend, der wir uns jetzt näherten, schon öfters gesehen hatte, so überließ ich mich doch im ersten Augenblick der Ueberraschung diesen poetischen Illusionen und ärgerte mich beinahe, als ich meinen Irrthum einsah.

Die hohen Ufer, die nun vor uns lagen, öffneten sich in der Mitte zu einer Bucht, und im Hintergrund erschien die Stadt Muskat mit ihren stattlichen Gebäuden. Der Hafen, in welchem wir vor Anker gingen, wird an seinem schmalen Eingang von Batterien bestrichen, und ist durch zahlreiche Befestigungen, die rings um die ungestalten Felsenhügel laufen, hinreichend vertheidigt.

Muskat, der Stapelplatz des persischen Golfhandels, steht unter einem Fürsten, der den Titel Imam führt; wie bei allen arabischen Häuptlingen ist seine Autorität mehr patriarchalischer als despotischer Art. Obgleich im Besitz einer zahlreichen Flotte, worunter einige schöne Fregatten sich befinden, und einer beträchtlichen Armee, die er zum Schutz seiner Herrschaft auf den Küsten Afrika’s, Arabiens und des Golfs unterhält, kann ihn jeder Einwohner Muskats vor Gericht fordern.

Ich sah noch den Vater des jetzt regierenden Imam’s, als ich eine frühere brittische Gesandschaft nach Persien begleitete. Er empfing uns am Bord seines Flaggenschiffs, einer Fregatte von 40 Kanonen mit 1000 Tonnen Gehalt. Sein Anzug war äußerst einfach: er trug keine Juwelen, keine Waffen, nicht einmal einen Dolch an sich; ein Schawl als Turban um den Kopf gewunden, der schlichte arabische Mantel, der über sein feines weißes Kleid herabhing, ließ seinen Rang kaum vermuthen; aber an seinen geraden und männlichen Manieren erkannte man den thätigen und unternehmenden Charakter, und an aufmerksamen Blicken seiner arabischen, nubischen und abyssinischen Unterthanen, die unverwandt auf ihn gerichtet waren, den Fürsten. Der Imam redete nie anders als auf’s Freundlichste mit ihnen, und in ihrem Benehmen gegen ihn lag ein schöner Ausdruck von Liebe und Zutrauen, der uns das Verhältniß des orientalischen Herrschers zum Volke in einem ganz andern Gesichtspunct, als gewöhnlich, betrachten ließ.

Während unsres Besuchs, als wir auf dem Verdeck unter einem Zelt saßen, kamen mehrere Capitäne der Muskat’schen Flotte an Bord. Salâm alicum! (Friede sey mit euch!) hörte man aus jedem Munde, man reichte sich die Rechte, schüttelte sie und drückte sie an die Brust. Der arabische Matrose richtete seinen Gruß an den ihm vorgesetzten Befehlshaber und verkehrte mit ihm, als mit seines Gleichen, Mann gegen Mann, in der freien und ungewzungenen Weise, die in Europa als ein Vorzug der bevorrechteten Stände gilt. „Aber,“ frage ich jemand, der neben mir saß, „thut diese Vertraulichkeit nicht

  1. Sketches of Persia from the Journal of a traveller in the East. II Vols. London 1828.
Empfohlene Zitierweise:
: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 589. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_615.jpg&oldid=- (Version vom 21.9.2023)