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Das Ausland. 1,2.1828

seines Gebiets, beschließt augenblicklichen Krieg und gibt dem Großvezier Befehl, ins Feld zu rücken.

Das Ministerium von Fox, das zu jener Zeit das brittische Cabinet leitete, wünschte durch einen Krieg sich auszuzeichnen, den es hervorgerufen hatte. Eine englische Flotte ward also gegen die Türken gesandt, und ihr Erscheinen in den Dardanellen verbreitete Schrecken in Constantinopel und Bestürzung in der Seele des Sultans. Während man aber von Stunde zu Stunde erwartete, die englische Escadre vor dem Serail Anker werfen zu sehen, um die Stadt zu beschießen, schickte dieselbe einen Unterhandlungs-Agenten in Begleitung Arbuthnot’s ab, der sich an Bord des Admiralschiffes geflüchtet hatte. Wir kennen den Grund des auffallenden Verzugs bei Zusendung der diplomatischen Noten nicht, die man, ohne einen Moment zu verlieren, hätte expediren sollen. General Sebastiani, der die höchste persönliche Schnellkraft mit der seiner Nation eigenen Gewandtheit verband, wußte in der Zwischenzeit jeden Augenblick zu benützen. So wie er sah, daß in der Hauptstadt sich Unruhe verbreitete und die englische Flotte sich in der Meerenge aufstellte, ging er ans Werk: er leitete in Person die Vertheidigung der Hauptstadt, ließ die Ufer des Canals mit Truppen und Artillerie besetzen, und gab den Rath, gehörige Streitkräfte in die Schlösser von Sestos und Abydos zu werfen, und so den Engländern jeden Rückzug abzuschneiden.

Wenn man sich eine Vorstellung von einer ottomanischen Verwaltung machen will, so darf man nur einen Blick auf das damalige türkische Ministerium werfen. Der Großvezier, Hafis Ismaël Pascha, dem niedersten Pöbel entsprungen, verdankte seine Erhebung blos dem glücklichen Zufall. Mit der vollkommensten Ignoranz über die öffentlichen Angelegenheiten verband er die große Leidenschaft der türkischen Beamten, die Geldgier, im höchsten Grade. Seine Bemühungen, vor Verfluß der sieben Jahre die Entfernung Ypsilantis und Morusis von ihren Stellen durchzusetzen, soll keinen andern Beweggrund gehabt haben als die Hoffnung, die Hospodarswürde um einen theuren Preis an ihre Nachfolger zu verkaufen. Seine Habsucht war eine der Hauptursachen des Kriegs. Ibrahim Aga, der Kiaja-Bey (Minister des Innern) hatte einen entschiedenern Charakter. Seine vorherrschende Leidenschaft war Ehrgeiz; ihm zu Liebe hatte er sich bei der muthwilligen Beleidigung des russischen Cabinets aus Gelegenheit der Schutzbriefe vorangestellt. Diese beiden Minister besaßen den höchsten Einfluß. Die beiden Repräsentanten des Glaubens und des Heeres, der Mufti Scherif Zadi Attu Effendy, und Pehliwan Mehemed Aga, Oberbefehlshaber der Janitscharen, waren mit den beiden erstern vereint die wärmsten Anhänger des Generals Sebastiani. Der Divan war aber getheilt. Galip Reis Effendi (Staatssekretär der auswärtigen Angelegenheiten) und Yussuff Aga Holday Kiayffi (Kanzler der Sultanin Mutter), protestirten gegen ein so schnelles Aufgeben der alten Allianz-Verhältnisse. Indessen werden in der Türkei die Discussionen des Cabinets nicht mit der Kaltblütigkeit und Artigkeit der europäischen Diplomatie behandelt. Die beiden letztern Minister, außerhalb des Serails von dem Säbel der Janitscharen, innerhalb desselben von der fatalen seidenen Schnur bedroht, konnten nicht widerstehen. Der Reis Effendi und der Kanzler dankten ab, und durften sich glücklich schätzen, dem aufgeregten Grimme ihres Herrn entfliehen zu können.

Pehliwan Mehemed war im Innern des Diwans der thätigste Agent des Cabinets der Tuillerien. In einem untergeordneten Offiziersgrade hatte er früher die Ehrenwache des französischen Botschafters befehligt; wahrscheinlich hatte die dabei erlangte Kenntniß seines Charakters den Botschafter bewogen, ihn an das Interesse seines Hofs zu fesseln; wenigstens war er von jenem Augenblicke an der entschiedenste Anhänger Frankreichs und zögerte nicht, Proben seiner Ergebenheit abzulegen.

(Fortsetzung folgt.)


Persische Skizzen.


(Fortsetzung.)
Sclaverei im Orient.

Alles was ich bemerkte, namentlich auch daß ich sah, mit welcher Sicherheit jeder Einwohner oder Fremder, Hindu oder Muselmann, seinen Geschäften nachgehen kann, machte mich für Muskat sehr eingenommen. Eine nach meinen unbefangenen Wahrnehmungen von der Stadt und dem Volk entworfene Skizze zeigte ich eines Tags einem meiner Freunde, einem Schiffscapitän, der zu meiner großen Verwunderung in ein lautes Gelächter darüber ausbrach, und meinte, er habe ein Gemälde, das denselben Gegenstand auf ganz and’re Art darstelle. „Es ist, wie Sie wissen,“ sagte er, „ein Admiralitätserlaß vorhanden, der den Offizieren der Kriegsschiffe befiehlt, wenn sie einen noch wenig bekannten Hafen besuchen, das Leben daselbst, die Sitten und Gebräuche der Einwohner zu beobachten. Ich habe nun einen einfältigen Burschen von einem Schiffer, der ein trefflicher Seemann ist, aber sich um das, was auf dem Land vorgeht, blutwenig bekümmert. Ich war jedoch begierig, einmal Bemerkungen von ihm zu lesen, und wußte, daß er schon zu zwei oder drei verschiedenen Malen die Stadt besucht hatte; so bestand ich denn darauf, daß er die betreffende Colonne in seinem Dienstbuch ausfüllen solle. Es kam ihm sauer an, bis er sich der neuen Pflicht entledigte. Endlich ging er in der Verzweiflung in sein Cabinet und brachte mir sein Buch mit den Worten: Hier, Herr, habt ihr Alles, was sich von diesen schwarzen Burschen sagen läßt; ihr werdet’s finden, wie sie’s verdienen. Ich nahm das Journal und las:

Bewohner von Muskat.
„Lebensart: keine; Sitten und Gebräuche: bestialisch.“

Ohne Zweifel wird dieser Lakonismus des ehrlichen Schiffers Manchem wahrer dünken als meine Schilderung: wenn er z. B. seine Beobachtungen auf das wüste Drängen und Treiben am Strande beschränkt, wo er nichts als Sclaven, Kameele, Dattelladungen und das Heer der Geschmeißmücken sieht, das die Luft verdunkelt, und wo der Gestank der faulen gesalzenen Fische ihm den Athem

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: Das Ausland. 1,2.1828. Cotta, München 1828, Seite 595. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_621.jpg&oldid=- (Version vom 12.5.2023)