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bis sechszig engl. Meilen war für ihn keine Anstrengung, so daß Mahommed-Scheriff-Khan, der Mehmandar, den der Schah zur Bewillkommnung der Gesandtschaft geschickt hatte, oft kaum mit ihm gleichen Schritt halten konnte, obgleich die Perser vielleicht die geschicktesten Reiter der Welt sind. Wir machten uns oft über diese politischen Ritte, wie wir sie nannten, lustig. Indessen überzeugte ich mich nachmals von der Richtigkeit des Benehmens unsers Chefs, als mich der Mehmandar seine über uns niedergeschriebenen Notizen im Vertrauen lesen ließ.

„Der Eltschi und die englischen [1] Herren in seinem Gefolge, – berichtet der Mehmandar an den Hof von Teheran, – stehen mit Tagesanbruch auf, setzen sich zu Pferde und reiten zwei bis drei Stunden, worauf sie frühstücken. Von dieser Zeit bis zum Mittagessen um vier Uhr beschäftigt sich der Eltschi damit, daß er seinen Marstall besucht, daß er sich unterhält, liest oder schreibt; wenn er nichts besseres zu thun hat, so geht er vor seiner Thür oder in seinem Zelt auf und ab. Er bleibt nicht lange an der Tafel sitzen, sondern besteigt am Abend wieder sein Pferd und wenn er von seinem Ritt heimkommt, so trinkt er Thee und gibt Gesellschaft, wo man mit einander spricht oder Karten spielt bis 10 Uhr. Was mir am Meisten auffiel, war, daß keiner von den Herren während des Tages schlief, noch bei warmer Witterung, wie wir zu thun pflegen, sich auf seinen Teppich legte. Es sind wahrhaft rastlose Leute, denen bei dieser Lebensweise täglich weit mehr Zeit zur Besorgung ihrer Geschäfte oder Erweiterung ihrer Kenntnisse bleibt als Sr. Majestät Unterthanen, so daß jene am Ende eines Jahrs in einigem Vortheil seyn müssen.“

So wirkte also unser diplomatisches Verhältniß auch auf unsre Lust-Partien, und es war ein Glück für den Einzelnen, wenn seiner besondern Neigung dieses immerwährende Rennen und Jagen zusagte.

Fast jeden Tag ging’s hinaus mit dem Falken auf der Faust und mit dem Windspiel an der Koppel. Zeigte sich eine Gaselle, so suchte man vorerst ihr so nahe als möglich zu kommen; aber in der Regel merkte sie es und rannte pfeilgeschwind davon: nun wurden eiligst die Windspiele losgelassen. War das Thier einzeln, so ließ man zu gleicher Zeit auch die Falken fliegen; waren aber ihrer mehrere beisammen, so wartete man, bis sich die Hunde auf eines geworfen hatten. Die Falken strichen am Boden hin, und im Nu hatten sie das Reh am Kopf, wobei sie es manchmal so heftig mit ihren Krallen packten, daß es überschlug. Nichts ist bewunderungswürdiger als die Dressur, mit welcher Hund und Falke bei der Jagd dieses flüchtigsten aller vierfüßigen Thiere zusammenwirken.

Der erste Auslauf einer Gaselle hält zwar höchstens eine bis anderthalb Stunden und oft nicht halb so weit an, allein von ihrer Geschwindigkeit hat man keine Vorstellung. Der Jährling ist eine leichte Beute, aber die alte Geiß und noch mehr der Bock werden selten gefangen. Die Araber schonen wohl auch ihre Falken, aus Furcht, sie zu verlieren, indem sich diese schönen Vögel (eine eigene, nicht sehr große Art, Tschirk genannt) häufig an den scharfen Hörnern der Gaselle spießen: so daß der Ertrag einer solchen Jagd nie bedeutend ausfällt.

Methodischer ist ein anderes Verfahren, das ich übrigens weniger hier, als tiefer im Innern von Persien bei der Gasellen-Jagd beobachtet fand. Fast jeder Waidmann, Personen vom höchsten Rang nicht ausgenommen, führte da sein Windspiel an einer langen seidenen Schnur am Halsband, ein gut dressirter Hund lief sogar frei neben dem Pferde her. Wenn nun eine Heerde Gasellen entdeckt ward, so besprach man sich, und der Erfahrenste bestimmte den Ort, gegen welchen man trieb. Mittlerweile nahmen die, welche Hunde hatten, ihre Stellung so, daß sie von einander eine Meile entfernt waren. Zuerst wurde einer der schlechtesten Hunde logelassen; hatte dieser sich seine Gaselle ausgewählt, so war das Geschäft der Jäger, ihr den Weg abzulaufen, und frische Hunde auf sie zu entsenden. Gewöhnlich brauchte man drei bis vier, und oft entkam das Thier doch noch, wenn es stark und das Terrain ihm günstig war. Diese Jagd war die Lieblings-Belustigung des verstorbenen Königs von Persien, Aga-Mahommed-Khan, der seinen Geschmack auf seinen Nachfolger vererbte.

Die Neuheit dieser Unterhaltung gewährte mir so viel Vergnügen, daß ich einer Einladung nach einem acht Stunden von Abuschir entlegenen Dorfe folgte, um der, wie ich glaube, Persien ganz eigenthümlichen Jagd des Hubara, einer edeln Art von Trappen, beizuwohnen, der sich hier auf dem nackten sandigen Flachland aufhält, wo er kein Obdach findet, als einen kleinen Strauch, Dschitock genannt. Wir waren unserer ungefähr zwanzig, sämmtlich wohlberitten.

Zu dieser Jagd brauchte man zweierlei Falken: einmal den Tschirk, der aber nur auf dem Boden angreift und dann den in Indien wohlbekannten Bheiri, der in dem Augenblick losgelassen wird, wo der Hubara auffliegt.

Der Zug der Reiter bewegte sich in einer weit ausgedehnten Linie. Die Falkner namen ihren Vögeln dann

  1. Außer diesen befanden sich mehrere vornehme Asiaten bei der Gesandtschaft; z. B. Mahommed-Hussein-Khan, der Sohn eines Persers, den Duncon, Statthalter von Bombay, als englischen Residenten in Abuschir angestellt, und im Jahr 1798 mit einer Sendung an den persischen Hof beauftragt hatte. Mahommed-Hussein-Khan hatte durch seine Vermählung mit der Tochter eines Prinzen aus der Zend-Familie unter seinen Landsleuten Ansprüche auf den höchsten Rang; in der Gesandtschaft lief er unter dem Namen „Khan Sahib“ oder „Mylord“; – Dschaffir-Ali-Khan, der Bruder des Nabob von Masulipatam; er hat in eine persische Familie geheirathet, und war seit einiger Zeit englischer Agent in Schiras; – Mirza-Aga-Mir, ein Abkömmling des heiligen Emir Hemsa, aus dem Stamm des Propheten, dessen Grabkapelle in Schiras hochverehrt wird. Diese List, die noch mit mehrern andern Namen vergrößert werden könnte, zeigt, wie die Engländer überall die Eingebornen in ihr Interesse zu ziehen wissen.
Empfohlene Zitierweise:
Eberhard L. Schuhkrafft: Das Ausland. Cotta, Stuttgart, München, Augsburg, Tübingen 1828, Seite 607. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_633.jpg&oldid=- (Version vom 2.10.2023)