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Eberhard L. Schuhkrafft: Das Ausland

Zehe allein im Steigbügel; dadurch erhält sie eine ungewöhnliche Stärke und trennt sich sehr von den übrigen Fußzehen. Für die erwähnten Waaren tauschen die Indianer Branntwein (aguardiente), Maté (die Paraguay-Wurzel, aus der eine Art Thee gekocht wird), Zucker, Feigen, Trauben, Pferdgebisse, Sporen, Messer u. dgl. ein. Um diesen Handel zu treiben, besuchen sie von Zeit zu Zeit truppweise die vorzüglichsten Städte; da sie aber bei dieser Gelegenheit im Brauche haben, über Durst zu trinken, so müssen sie, zur Vermeidung von Streitigkeiten in den Vorstädten bleiben.“

Auch die Indianer des ebenen Landes haben sich so sehr an den Gebrauch der Pferde gewöhnt, daß das Reiten eine ihrer Lieblingsübungen geworden ist, und sie es darin noch weiter als die Gauchos selbst treiben.

„Fast alle Einwohner der Provinzen des la Plata-Stromes sind geschickte Reiter; die Creolen und die ansäßigen Indianer übertreffen darin bei weitem die europäischen Ansiedler, und die Wilden thun es allen zuvor. Von Jugend auf leben sie zu Pferde; ihre Beine erhalten durch diese frühzeitig getriebene Uebung eine ganz sichelförmige Krümmung und kaum können sie sich ihrer zum Gehen bedienen. Ich sah bisweilen in Buenos-Ayres solche arme Indianer, die man dahin als Gefangene gebracht hatte: sie schleppten sich mühsam fort, verwickelten ihre Beine und hinkten einher, wie wackelnde Enten. Aber im Sattel bilden sie mit dem Pferde nur Einen Leib, und indem sie mit ihren säbelkrummen Beinen das Pferd umschließen, gewinnen sie einen so festen Halt, als der Papagei, wenn er sich mit seinen Klauen einklammert. Im gestreckten Galoppe können sie sich unter dem Bauche ihres Pferdes herumschwingen und wieder in den Sattel kommen. Die Jagd auf Pferde, Damhirsche und Strauße macht die Hauptbeschäftigung dieser umherschweifenden Indianer aus. Wenn es ihnen aber daran fehlt, so machen sie sich eben kein Gewissen daraus, ihren Vorrath aus den gezähmten Heerden von Pferden und Hornvieh zu holen, welche sie an den Grenzen der civilisirten Provinzen antreffen. Dieß hat schon viele Kriege und Waffenstillstände zwischen den Indianern und den Einwohnern der Provinzen veranlaßt; jene dauerten gewöhnlich so lange, bis beide Theile durch ihre Verluste ermüdet waren, und diese wurden nur so lange gehalten, bis sich das Andenken an die Uebel des Krieges verwischt hatte, oder sie sonst einen Grund fanden, die Feindseligkeiten zu erneuern.“

Der Umstand, daß der Reisende, von seinem übeln Humor und dem Aerger über getäuschte Hoffnungen geplagt, alles was ihm begegnet von der schwärzesten Seite darstellt, hat für den Leser wenigstens das Gute, daß er sich um so eher auf die Wahrheit derjenigen Stellen verlassen kann, in denen Beaumont hie und da etwas in günstigerem Lichte zeigt. Da zum Beispiele, wo er die Gründe kurz wiederholend zusammenfaßt, welche jemand bestimmen können, nach Buenos-Ayres auszuwandern, dürfen wir überzeugt seyn, daß der Verfasser von keiner Parteilichkeit geblendet war.

„Nach dem, was ich über die Regierungshäupter von Buenos Ayres, über das Schicksal derjenigen, die ihren Versprechungen trauten, und über den schwankenden und unsichern Zustand des Landes angeführt habe, würde es unnöthig seyn, solchen, die Lust hätten, ihr Capital dahin anzulegen, noch Behutsamkeit anzuempfehlen. Niemand wird in Zukunft mehr so unbesonnen seyn, für dergleichen Auswanderungsplane Geld herzuschießen, niemand mehr Actien in den Fonds solcher neuer Gesellschaften nehmen. Wenige werden die Absendung von Arbeitsleuten in ein so fernes Land auf ihre Kosten, in der ungewissen Hoffnung, den Gewinn ihrer Arbeit zu theilen, fürderhin in Schutz nehmen wollen. Die Manufacturisten und Kaufleute werden sich erst einigemal umsehen, bevor sie sich in die Hände der Agenten und Associés werfen. Sie werden sich Zeit nehmen zur Ueberlegung, bevor sie selbst bei vertrauten Leuten darauf rechnen, daß diese in diesem Lande der Treulosigkeit und des Betruges für ihre Interessen wachen werden, wofern nicht eine moralische und politische Umgestaltung daselbst eintritt. Aber dennoch gibt es eine Classe von Menschen, die, wenn sie Mittel finden, in die Provinzen des la Plata Stromes zu kommen, vernünftiger Weise hoffen können, ihre Lage zu verbessern. Es sind dieß Bauern und Handwerksleute, die an harte Arbeit gewöhnt sind, Gräben ziehen, Brunnen graben, Dämme aufwerfen können: emsige Pächter und Ackersleute, Zimmerleute, Schlosser, Schneider, Schuster u. dgl. Handwerker. Wenn sie mehr als ein Handwerk verstehen, so wird ihnen dieß nur zu größerem Vortheile gereichen; denn es kann sich oft ereignen, daß ein Fach der Arbeit zu stark besetzt ist. Es fehlt daselbst weder an Genies, noch an Leuten, andere zu dirigiren, noch an Projectenmachern, noch an schlauen, verschlagenen Köpfen; den gewandtesten Mustern dieser Art aus England würden die Creolen sehr bald das Spiel abgewonnen und sie betrogen haben. Die Genies irren ohne Beschäftigung umher, die Projectenmacher scheitern in allen ihren Unternehmungen, und was das Dirigiren-wollen betrifft, so hat dort jeder Lust und Talent dazu: auch Advocaten, Agenten und Consulenten gibt es so viel man will. Nur an Handwerkern ist Mangel, daher diese allein mit Vertrauen nach Buenos-Ayres gehen, und dort ihr Brod bei mäßiger Arbeit verdienen können. Doch auch ihnen ist in Manchem Vorsicht anzuempfehlen. Wenn man Jemand sagt, daß die Arbeit eines Tages zwei oder drei Dollars einträgt, und daß das Pfund Rindfleisch nicht mehr als zwei Sous kostet, so wie die Gallone gebrannter Wasser ungefähr anderthalb Dollars, so ist der erste Gedanke, der sich ihm aufdringt, daß man da in Kurzem sein Glück machen müsse. Allein der Gewinn strömt nicht so zu, wie man auf den ersten Anblick glauben sollte. Rindfleisch und Branntwein sind wohlfeil; alles andere dagegen übermäßig theuer. Für Wohnung, Kleidung etc. muß man noch einmal so viel als in London, dem theuersten Orte Europas, bezahlen. Das Pfund Erdäpfel kostet zwölf Sous; Brod, Butter, Käse, Spezereien bezahlt man zu weit höheren Preisen als in England. Das Clima entnervt

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Eberhard L. Schuhkrafft: Das Ausland. Cotta, Stuttgart, München, Augsburg, Tübingen 1828, Seite 635. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_661.jpg&oldid=- (Version vom 23.11.2023)