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Eberhard L. Schuhkrafft: Das Ausland

Das Ausland.
Ein Tagblatt
für Kunde des geistigen und sittlichen Lebens der Völker,
mit besonderer Rücksicht auf verwandte Erscheinungen in Deutschland.

Num. 166, 14 Juny 1828.

Ireland und die Emancipation der Katholiken.


(Fortsetzung)

Der Staatssekretär für das Innere, Mr. Peel suchte die Deutung, die Sir Francis Burdett den Artikeln des Tractates von Limerick und dem Benehmen Pitt’s und seiner Collegen, der Lords Cornwallis und Castlereagh gegeben hatte, zu widerlegen und erklärte darauf, daß er in Bezug auf die sogenannte Emancipation fest und unveränderlich auf der Meinung beharre, die er bereits mehr als einmal vor dem Hause ausgesprochen habe. Er sey überzeugt, daß der Grundsatz, die Katholiken wären auf gleiche Weise mit den Protestanten zu vollem Genuß aller Vortheile der brittischen Constitution berechtigt, eine wesentliche Veränderung in der Verfassung von Großbritannien hervorbringen müsse. Wenn dieser Grundsatz angenommen würde, sagte er, so würde die Krone des einzigen Bandes beraubt, welches zwischen der Regierung und der Kirche noch übrig ist, und die Constitution müßte den Character verlieren, den ihr die Revolution (1688) verliehen hat, den Character des Protestantismus. Man sagt, die Ansichten der Katholiken hätten sich verändert, sie verleugneten jetzt viele der Lehren, die ihnen früher zugeschrieben wurden; aber zugegeben, daß dieß in der That der Fall sey, woher weiß man, daß diese Veränderung nicht bloß der gegenwärtigen Ueberlegenheit des Protestantismus im Staate zu verdanken ist? Und woher weiß man, daß, wenn die Katholiken in den Genuß gleicher Rechte gesetzt würden, der verderbliche Geist ihrer Religion nicht wieder erwachen würde. Man sagt: England sey das einzige Land, in welchem diese Ungleichheit noch bestände; in allen andern Ländern, wo dieselbe statt gefunden hätte, seyen die Katholiken befreit und zu allen bürgerlichen Rechten erhoben worden. Aber England befindet sich in dieser Beziehung in einer wesentlich verschiedenen Lage von allen anderen Ländern; und die Frage ist, ob wir gegenwärtig vorbereitet sind, dem Beispiele der übrigen Staaten Europas zu folgen. Die Entfernung der Rechtsunfähigkeiten der Katholiken würde in diesem Lande eine Umwälzung zur Folge haben, die sich nur mit der vergleichen ließe, welche die protestantische Constitution des Landes bewirkte. In Preußen sind den Katholiken keine Rechtsunfähigkeiten auferlegt; aber in Preußen sind die Katholiken ein Theil des Staates (the Roman Catholics of that country were part of the state !). Die Katholiken stehen dort in demselben Verhältniß zum Staate, wie hier (neuerdings) die protestantischen Dissenters. Die katholischen Bischöfe sind vom Staate dotirt, völlig unabhängig, und ihre Ernennung ist gleichfalls Sache des Staates. Wenn dagegen die Katholiken in England auf gleichen Fuß mit den Protestanten gesetzt werden sollten, so würde die unmittelbare Folge davon ein unabläßiger Kampf um Macht und Herrschaft zwischen beiden Parteien seyn, und die Maßregel würde sich nicht als ein Segen, sondern als ein Fluch des Landes beweisen. Ob durch die Aufhebung der gegenwärtigen Rechtsungleichheit Harmonie und Zufriedenheit hergestellt werden würde, ist noch sehr zweifelhaft. Wenn ich den Zustand von Ireland betrachte, und wenn ich höre, daß man die Absicht habe, die protestantische Kirche unverletzt zu erhalten; so scheint es mir sehr gefährlich der Majorität des Volkes gleiche Ansprüche auf Macht zu geben, als der protestantischen Minorität. Wir sehen in Ireland 5 oder 6,000,000 Einwohner, wie die gewöhnliche Angabe ist, die sich zum Katholicismus bekennen; und dagegen soll sich die Zahl der Anhänger der protestantischen Kirche nur auf 5 oder 600,000 belaufen. Wenn auch diese Zahlen übertrieben wären, so ist es doch klar, daß die herrschende Religion in der Minorität ist; wie wäre es daher möglich, die Sicherheit und den Frieden derselben zu erhalten, sobald den Katholiken der Zugang zur Macht eröffnet wird? Die erste Folge dieses Schrittes wäre, daß die irischen Parlamentssitze insgesammt mit Katholiken besetzt würden; dieß wäre unmöglich zu verhindern, da die Wähler fast alle Katholiken sind. Sodann würden die Katholiken Ansprüche auf alle Corporationsämter [1] in Ireland erhalten. Es gibt in Ireland ungefähr 150 Corporationen, und der Beamtenstellen, die mit denselben in Verbindung stehen, sind an 3500, von denen sämmtlich die Katholiken ausgeschlossen sind, und die insgesammt durch die Annahme der vorgeschlagenen Maßregel den Katholiken eröffnet würden. Die Besetzung dieser Stellen hängt ausschließlich von den Wählern der Corporationsstädte ab, ohne daß die Regierung die geringste Controlle darüber zu führen hätte. Wenn man nun die Zahl der Katholiken bedenkt, die sich zu diesen Aemtern drängen würden; so kann man sich leicht vorstellen, wie gefährlich es wäre, denselben einen so großen Zuwachs an Macht zuzugestehen. Meine Ansicht in Bezug auf Ireland

  1. Magistratsämter, die von den Corporationen, d. h. der zu jenen Aemtern berechtigten Bürgerschaft besetzt werden.
Empfohlene Zitierweise:
Eberhard L. Schuhkrafft: Das Ausland. Cotta, Stuttgart, München, Augsburg, Tübingen 1828, Seite 661. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_687.jpg&oldid=- (Version vom 22.11.2023)