Seite:Das Ausland (1828) 705.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Eberhard L. Schuhkrafft: Das Ausland

das Band des St. Henri-Ordens. Er hatte kurzes krausgelocktes Haar, wie alle Schwarzen, aber das seinige war durch das Alter gebleicht, wodurch er ein sehr ehrwürdiges Aussehen erhielt; seine Augen waren die geistreichsten, die ich irgend gesehen habe, und schienen Einen durch und durch zu blicken. Ich erinnere mich einer Anecdote, die damals von ihm erzählt wurde, die als ein Beweis seiner Bonhommie gelten kann, und die gewiß dem best-erzogenen Souverän an dem feinsten europäischen Hofe Ehre machen würde. Er war besonders eingenommen für die Engländer, ich glaube, nicht weniger aus Neigung, als aus Politik. Die englischen Kaufleute genossen größerer Privilegien, als die von andern Nationen, es war ihnen erlaubt, Ausflüge außerhalb der Barrieren zu machen, was sonst Niemanden ohne besondere Erlaubniß verstattet war; und er bezeigte den englischen Offizieren der Marine, wie von der Armee, die seinen Hof besuchten, die größte Aufmerksamkeit, indem er nie vergaß, sie zur Tafel zu ziehen. Es war bei einer dieser Gelegenheiten, daß er Sir James Yeo, einen englischen Fregattencapitän, einlud, mit ihm zu speisen und so viele seiner Offiziere mitzubringen, als er für gut fände. Alle angesehenen Einwohner der Hauptstadt, die „Großwürdenträger“ des Reiches waren versammelt, und ein glänzendes Mahl bereitet. Sir James, überrascht durch die Pracht, von der er sich umgeben sah, und noch mehr durch den Anstand, der überall beobachtet wurde, und vortreffliche Zubereitung der Speisen, konnte sich nicht enthalten, seinem Nachbar zuzurufen: „Was für einen verdammt guten Koch dieser schwarze Bursch hat!“ – eine sehr natürliche, obwohl eben nicht höfliche Bemerkung, die der gute Capitän freilich nicht gemacht haben würde, wenn er gewußt hätte, daß der Kaiser so gut englisch sprach, als er selbst – eine Fertigkeit, die er sich angeeignet hatte, als er noch das etwas niedrige Gewerbe eines Schneiders zu St. Kitt ausübte. Christoph hatte so viel Verstand, von jenem Ausruf keine Notiz zu nehmen, da er wußte, daß keine Beleidigung beabsichtigt war, und ersparte dem Offizier das unangenehme Gefühl, zu wissen, daß er verstanden worden war; und so verging der Abend, in der ungestörtesten Heiterkeit. Des nächsten Morgens, als die Fregatte die Anker lichtete, kam ein Schwarzer an Bord mit einem Brief Sr. Majestät an den Capitän, worin er ihm mit dem besten Humor zu verstehen gab, daß er wohl wisse, was dieser bei Tische gesagt habe, indem er bedauerte, daß er ihm mit seinem ersten Koch nicht dienen könne, daß ihm jedoch „der verdammte schwarze Bursch den zweit beßten Koch in seinen Staaten sende.“ Ich glaube, Lord Chesterfield selbst hätte keine delicatere Rüge eingeben, keinen bessern Beweis einer guten Erziehung aufführen können. Ob Sir James das Geschenk des Königs annahm und ihn durch einen tüchtigen Seemann entschädigte, weiß ich nicht; denn die Geschichte geht nicht weiter. – Derselbe richtige Tact zeigte sich in allen seinen häuslichen Anordnungen. Sein Palast war eben so prächtig, als elegant eingerichtet, und nirgend sah man etwas von dem lächerlichen Flitterwerk, das man in einem solchen Haushalt hätte erwarten sollen. Alles wurde ihm unmittelbar von England aus zugesandt und zwar von der beßten Gattung und von den ersten Künstlern des Tages; seine Equipagen waren alle einfach und geschmackvoll. Die Regalien von Hayti wurden, meine ich, lange in London öffentlich gezeigt; und ich habe eine lebhafte Erinnerung von seiner Staatskutsche, die nach dem Modell von der des Lod Mayors gemacht war, wie man sie noch bei allen großen Festen der Bürgerschaft in der Einfahrt von Mansion House [1] sehen kann; aber nach einer so langen Zeit kann ich kaum entscheiden, welche von beiden die abscheulichste war.

Christoph wird beschuldigt, streng und tyrannisch gegen seine Unterthanen gewesen zu seyn: seine Politik war allerdings äußerst gemessen, aber ich glaube nicht, daß der Kaiser und König von Haiti mehr unnöthige Verbrechen beging, als der Kaiser und König von Frankreich. Man sollte nicht vergessen, was für Menschen es waren, welche beide zu regieren hatten, und wie beide auf den Thron erhoben worden waren: die Unterthanen des ersteren waren Sclaven, schwarze Sclaven, die des letzteren würden es vielleicht übel nehmen, wenn ich sie weiße nennte. Aber was waren sie anders unter dem ancien regime? Der einzige Unterschied, den ich zwischen ihnen sehen kann, ist der der Erziehung und Farbe. Man macht es seiner Majestät, dem Kaiser – ich meine den von Haiti – zum Vorwurf, seinen Secretär ermordet zu haben; aber man sollte sich erinnern, daß er selbst weder lesen, noch schreiben konnte, außer dem Zeichen, das er statt seiner Namensunterschrift machte. Er pflegte daher seine Depeschen einem Secretär zu dictiren und dann einen anderen rufen zu lassen, um sie ihm vorzulesen; zeigte sich hiebei der geringste Unterschied, so rief er einen dritten, und wehe dann dem, der die Schuld trug. Die Sache wurde, wie ich fürchten muß, nicht selten durch die Pistole beendigt, was eine etwas summarische Methode ist; aber in seiner Lage hatte er keine andere Wahl, und ich denke, man wird es allgemein zugeben, daß es um einen Grad besser ist, seinen Secretär zu erschießen, als sich selbst. Vielleicht wird man mich als parteiisch für sein Andenken betrachten; denn ich gestehe, daß ich persönlich ausgezeichnete Beweise des Wohlwollens von ihm empfing und daß ich auf die Zeit, die ich an seinem Hofe zubrachte, nur mit den angenehmsten Gefühlen zurückblicke. Ich war damals einige Jahre jünger; das Leben war neu für mich; ich sah alles „couleur de rose“, selbst die schwarzen Schönheiten am Hofe von Haiti. Mein Vater befand sich zu jener Zeit auf einer bedeutenden Stellung in Westindien, und sein Sohn wurde daher wohl aufgenommen von dem Kaiser; so daß mein unerwartetes Zusammentreffen mit der armen Kaiserin die interessantesten Erinnerungen aus einer der glücklichsten Perioden meines Lebens zurückrief.

  1. Die Amtswohnung des Lord Mayors (Bürgermeisters) der City von London.
Empfohlene Zitierweise:
Eberhard L. Schuhkrafft: Das Ausland. Cotta, Stuttgart, München, Augsburg, Tübingen 1828, Seite 679. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_705.jpg&oldid=- (Version vom 21.11.2023)