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Eberhard L. Schuhkrafft: Das Ausland

Mit noch mehr Bewunderung würde ich der Gabe von 1000 Pf., die Sir Francis Burdett dem Institut machte, erwähnen, wenn nicht die, welche ihn kennen und seine Handlungsweise beobachten, schon so lange an dergleichen Akte einer eben so weisen als ausgezeichneten Wohlthätigkeit gewöhnt wären, daß sie aufhören, sich darüber zu wundern. Noch muß ich hier die, auf bestimmte Nachrichten gegründete, Ueberzeugung aussprechen, daß die Mechaniker dieser großen Stadt entschlossen sind, so wie sie die Kraft dazu haben, das System, von dem wir reden, fortzupflanzen und weiter auszudehnen; und daß ich nicht den geringsten Zweifel hege, daß sie, selbst ohne weitern Beistand noch andere Institute in den entfernteren Theilen der Stadt errichten werden, wie denn auch in gegenwärtigem Augenblick schon mehrere Filialinstitute bestehen. Die Vorgänge in London gaben den Beförderern der Bildung im ganzen Lande einen großen und allgemeinen Impuls; die erste Stadt, die folgte, war New-castle am Tyne. Im Monat März 1824 wurde daselbst ein Institut für die Unterweisung von Mechanikern, mit Bibliothek, Vorlesungen und wissenschaftlichen Unterhaltungen errichtet, und die erste Versammlung wurde am 11 Mai von Hr. Turner mit einem trefflichen Vortrage eröffnet. Die Mitglieder werden durch Ballotiren zugelassen; aber jedes Individuum, das jährlich 12 Schill. bezahlt, ist wählbar. Das Verwaltungscommittee besteht sowohl aus Arbeitern als aus Meistern. Die Bibliothek besteht bereits aus 600 bis 700 Bänden. Außer den Patronen zählt die Anstalt 240 Mitglieder, die jährliche Beiträge geben. Die Zusammenkünfte für Diskussionen sind monatlich. Hier werden Schriften gelesen und Unterhaltungen gepflogen über jeden beliebigen wissenschaftlichen und literärischen Gegenstand, nur mit Ausnahme von theologischen und politischen Streitfragen. Auch ist man mit der Bildung eines Fonds für die Anschaffung von Apparaten beschäftigt und die Vorlesungen werden bald ihren Anfang nehmen. Herr Turner hatte schon mehrere Jahre vor der Errichtung der Gesellschaft Vorlesungen über Naturwissenschaften für die arbeitenden Klassen gehalten. Die literärische Gesellschaft, die von den Reichen unterstützt, lange in New-castle blühte, muß wesentlich dazu beigetragen haben, jene Liebe zu Kenntnissen an diesem Orte zu wecken, die nun ihren Segen auch unter den übrigen Klassen der Gesellschaft verbreitet. Noch, bemerke ich, daß man hier sich genau an den trefflichen Grundsatz hielt, denen, welche den Eintritt mit einer größeren Geldsumme bezahlten, keine besonderen Vorrechte, sondern allen Theilhabern am Institut gleichen Antheil an der Verwaltung einzuräumen.

Es ist auffallend, daß, der Zeit nach, das nächste Beispiel von einer so unbeträchtlichen Stadt, als Kendal, die nicht mehr als 8000 Einwohner hat, gegeben wurde. Dieser Fall ist um so belehrender, weil er zeigt, daß das System auch mit sehr beschränkten Mitteln ausgeführt werden kann. Im April 1824 beschloß man daselbst, eine Bibliothek und ein Institut für Mechaniker zu gründen, wovon jeder, der auf einmal 3 Guineen in Geld oder Büchern bezahlte oder sich mit 4 Schill. jährlich subscribirte, Mitglied werden und stimm- und wahlfähig für das Verwaltungscommittee seyn könnte. Außer 50 – 60 Mitgliedern, die sich ein für allemal eingekauft haben, sind hier 150 Subscribenten, alle aus den arbeitenden Klassen. Die Bibliothek beläuft sich schon auf 300 bis 400 Bände, und ein Brief des würdigen Präsidenten, Hrn. S. Marschall liegt vor mir, worin es heißt: „die Bücher werden fast alle auf einmal ausgegeben, so groß ist das Verlangen nach Unterricht.“ Bei den vierteljährigen Zusammenkünften werden Originalaufsätze über Gegenstände der Literatur und Wissenschaft vorgelesen. Die Discussion kann sich über alle Materien verbreiten, nur abermals mit Ausnahme solcher, an die sich ein polemisches oder Partei-Interesse knüpft. Verflossenen Herbst wurden Vorlesungen über Naturgeschichte gehalten, und dieses Frühjahr wird ein Curs über Mechanik und wahrscheinlich auch über Chemie beginnen. Der Plan dieses Instituts ist einer der besten, den ich noch gesehen habe, mit der Ausnahme vielleicht, daß die Zusammenkünfte zu selten und die jährlichen Beiträge zu niedrig angesetzt sind. Diese Mängel indessen, vorzüglich der letztere, sind nicht wesentlich und können leicht verbessert werden, je nachdem das Bedürfniß von Mitteln für Vorlesungen und Apparate es erfordert, und das Vergnügen und der Gewinn einer wissenschaftlichen Bildung mehr und mehr gefühlt werden.

Seitdem ist auch Carlisle nachgefolgt und der Hauptgrundsatz, der in jeder Hinsicht am Meisten im Auge behalten werden sollte, ist weislich durch einen förmlichen Beschluß anerkannt worden, nehmlich: „daß dergleichen Institute dann am meisten Dauer und Gewinn versprechen, wenn sie hauptsächlich von den Mechanikern selbst dirigirt werden.“ Demgemäß wurde festgesetzt, daß der Verwaltungsrath, der 21 Mitglieder zählt, zu zwei Drittheilen aus Arbeitern bestehen soll. Um ein lebenslängliches Mitglied zu werden, bezahlt man fünf Guineen beim Eintritt und sieben Jahre hindurch, jährlich Eine Guinee. Die anderen bezahlen 8 Schill. jährlich und werden von dem Committee durch Ballotiren aufgenommen; ihre Söhne und Lehrlinge genießen alle Vortheile des Instituts. Seit dem November sind mehr als 300 Bände gesammelt worden. Die Zahl der Mitglieder beträgt 155. Herr Nichol hat einen Curs von Vorlesungen über die Naturwissenschaften gehalten. Am Schluße derselben überreichten die Arbeiter, welche sie mit steigendem Vergnügen besucht hatten, Herrn Nichol eine silberne Büchse, vier Guineen werth, worin noch 12 Pf. eingeschlossen waren. Der Secretär, Herr Dunbar ist von einigen wohlthätigen Einwohnern von Dumfries um Belehrung über die beste Art, ein ähnliches Institut in jener Stadt zu errichten, ersucht worden; und ich habe das feste Vertrauen, daß auch Whitehaven, wo nicht die umliegenden kleinern Städte, diesem Beispiele folgen werden. In der That, kein Ort ist zu klein für eine Bibliothek zum Nutzen der Mechaniker, und wo nur irgend die Zahl der

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Eberhard L. Schuhkrafft: Das Ausland. Cotta, Stuttgart, München, Augsburg, Tübingen 1828, Seite 682. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_708.jpg&oldid=- (Version vom 21.11.2023)