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Eberhard L. Schuhkrafft: Das Ausland

Das Ausland.
Ein Tagblatt
für Kunde des geistigen und sittlichen Lebens der Völker,
mit besonderer Rücksicht auf verwandte Erscheinungen in Deutschland.

Num. 178. 26 Juny 1828.

Ireland und die Emancipation der Katholiken.


(Fortsetzung.)

Ganz Leinster war unterworfen und Dermod daher verpflichtet, die englischen Truppen, die er bisher unterhalten hatte, aus seinen Diensten zu entlassen; als statt dessen, durch seine Versprechungen eingeladen und an seine alte Zusage erinnert, im August d. J. 1171 Graf Richard Strongbow mit einem Heere von 200 Rittern und 1200 erlesenen Fußknechten – für jene Zeiten eine furchtbare Macht – bei Waterford landete. Die Stadt, deren Bürger sich der Landung widersetzten, wurde mit Sturm genommen, alle Einwohner erschlagen. Dublin, eine andere Niederlassung der Ostmannen, erfuhr das gleiche Schicksal. König Roderic, zu schwach, um entscheidende Maßregeln zu ergreifen, und überdieß durch innere Unruhen beschäftigt, suchte vergebens die Fortschritte des Feindes durch Unterhandlungen aufzuhalten; Dermod, der sich noch an dem Tage der Einnahme von Waterford mit dem Grafen vereinigt, und denselben bald darauf durch die Hand seiner einzigen Tochter noch fester mit sich verbunden hatte, sprach ohne Scheu die Absicht aus, seine Herrschaft über die ganze Insel auszudehnen. Die Hinrichtung seines Sohnes, den er Roderic als Geisel gegeben hatte, vermehrte nur seine Wuth; aber mitten in seinen Verheerungszügen überraschte ihn der Tod, der zugleich das Zeichen eines allgemeinen Abfalls aller irischen Clans von den Engländern war. In Wexford wurde nach tapferer Gegenwehr Fitzstephen durch die empörten Einwohner gefangen; nur Dublin und Waterford blieben von allen ihren Besitzungen in Leinster in den Händen der englischen Barone, deren Lage um so hoffnungsloser schien, als ihr Fürst, König Heinrich II – eifersüchtig über ihre Eroberungen und besorgt, daß sie sich seiner Souveränität entziehen und seine eigenen Absichten auf Ireland vereiteln könnten – ihnen, ungesäumt nach England zurück zu kehren, befahl und allen Unterthanen des Königreiches jede Verbindung mit ihnen untersagte. Richard Strongbow, durch ein zahlreiches irisches Heer in Dublin belagert, rettete indessen durch einen kühnen Ausfall die Stadt, und unterwarf, nachdem ein panischer Schrecken die Feinde zerstreut hatte, aufs Neue den größten Theil von Leinster seiner Herrschaft, auf welche er als Schwiegersohn des kinderlos verstorbenen Dermod die begründetsten Ansprüche zu haben glaubte.

König Heinrich schien diese Ansicht jedoch keinesweges zu theilen; vielmehr erneute er die Aufforderung an den Grafen, nach England zurück zu kehren und sich wegen seiner wiederholten Pflichtverletzungen vor seinem Lehnsherren zu verantworten. Richard, seiner Schwäche – in einem fremden Lande, ohne Aussicht auf Unterstützung von der Heimat, dem unversöhnlichen Hasse der Eingebornen preis gegeben – sich bewußt, wagte es dießmal nicht, dem Gebote seines Fürsten den Gehorsam zu verweigern. Er erschien, nachdem er zu Waterford und Dublin seine Statthalter zurück gelassen hatte, mit allen Zeichen der Reue wegen seiner früheren Pflichtvergessenheit vor dem König und erhielt, da er sich bereit erklärte, Dublin und alle Städte der Küste abzutreten und seine übrigen Besitzungen von der Krone zu Lehen zu nehmen, leicht seine Verzeihung.

Heinrich II, dem auf diese Weise der Weg gebahnt war, beschloß jetzt, von dem Lande, das er längst als sein rechtmäßiges Eigenthum betrachtete, unverweilt Besitz zu nehmen; er rüstete, um dieß auf würdige Weise zu thun, eine Flotte von 240 Segeln aus, schiffte sich, von Richard Strongbow und vielen anderen seiner vornehmsten Barone begleitet, mit einem Heere von 400 Rittern und über 4000 Fußknechten zu Milford ein und lief am St. Lucien Tage, im Monat October 1172, in dem Hafen von Waterford ein. Des anderen Tages unterwarf sich Dermod Macarthy, Fürst von Desmond, dem König, übergab ihm seine Stadt Cork, versprach für seine übrigen Besitzungen, die er zu Lehen empfing, einen Tribut zu zahlen; viele andere irische Fürsten und Häuptlinge, geblendet durch den Glanz und erschreckt durch die Ueberlegenheit der englischen Kriegsmacht, folgten seinem Beispiel: O’Brien von Thomond, der seine Stadt Limerick dem König übergab, Douchad von Ossory, O’Faolan von Decies waren die Ersten, welche Heinrich II als ihren Souverän anerkannten. Selbst O’Ruarc von Breffney, bisher der thätigste Gegner der Britten, trat jetzt auf ihre Seite. Nur die Häuptlinge des Nordens unterwarfen sich nicht; und im Westen behauptete in Connaught König Roderic sein Ansehen und zog hinter den Ufern des Shannon ein Heer zusammen, um jedem feindlichen Angriff zu begegnen.

Inzwischen berief König Heinrich, um zu seiner weltlichen Eroberung von Ireland – seinem Versprechen gegen den römischen Stuhl gemäß – auch die geistliche hinzuzufügen, eine Synode zu Cashel, auf welcher die Bischöfe und Prälaten des unterworfenen Theiles der Insel,

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Eberhard L. Schuhkrafft: Das Ausland. Cotta, Stuttgart, München, Augsburg, Tübingen 1828, Seite 709. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Das_Ausland_(1828)_735.jpg&oldid=- (Version vom 20.11.2023)