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Ed. VogtS. als Pfarrer, Prediger und Gelegenheitsprediger“ im „Deutschen Volksblatt“ von 1877, No. 215–223, 238–243; v. 1878: No. 154–161; v. 1879: No. 18–32 u. 37. P. Beck, in der „Allgemeinen deutschen Biographie“ 29 Bd. zu Sailer Notiz Alem. XVI 272.

RAVENSBURG PAUL BECK     


SAGEN
AUS DEM MONTAVON

1 DIE VERDÄCHTIGEN KÜACHLI[1]

Am linken Ufer der Ill, gegenüber dem zur Pfarre gehörigen Dorfe Gortipol, ist der Weiler Cavatal, der aus meren zerstreut ligenden Häusern bestet. Eines davon bleibt schon seit längerer Zeit verlaßen und öde. In der ersten Hälfte dises Jarhunderts[2] lebten in disem anrüchigen Hause zwei alte Weibsbilder, welche man in St. Gallenkirch allgemein für Hexen hielt.

Als genannte Personen noch junge und schöne Mädchen waren, hatte sich ein Gortipoler Bursche in die ältere verliebt und gieng, one etwas Schlimmes zu anen, öfter zu ir auf Besuch. Da war der „Funka“ oder „Küachlisonntig“ (der erste Fastensonntag) angekommen, an dem man im Montavon verschidenartige „Küachli“, Krapfen und Strauben zum Nachtmale bäckt, worauf die lebensfrohen Jünglinge noch gerne zu den hübschen Töchtern des Dorfes oder dessen Umgebung in den Heimgarten sich verfügen. Unser Bursche hatte sich bereits nachmittags, wie dises alldort ebenfalls Sitte ist, bei seiner Geliebten im Cavatal eingefunden. Dise war gerade mit „Küachlibacken“ beschäftigt, wärend ire jüngere Schwester in dem nahe gelegenen Stalle das Vih fütterte und tränkte. Der Gortipoler wartete lange in der Wonstube, biß seine Geliebte aus der Küche kommen und im angeneme Gesellschaft leisten würde. Doch alles Harren und Warten schin disesmal vergebens. Da brach seine Geduld, und er trat leise in den Hausflur hinaus, an dessen einer Wand ein Fensterchen angebracht war, durch das man gerade auf den Küchenherd sehen konnte. Neugirig blickte der Bursche durch dessen Öffnung und gewarte zu seinem grösten Erstaunen, wie sein geliebtes Mädchen die gebackenen Kuchen einzeln mit dem


  1. Kuchen aus dünnen Brot-, Käse- oder Apfelschnitten; am beliebtesten sind die »Käsküachli«.
  2. Die im Jare 1851 gestorbene Mutter des PJFritz, der mir dise und die folgenden Sagen mitteilte, hatte dise Weiber noch gut gekannt.
Empfohlene Zitierweise:
Anton Birlinger, Fridrich Pfaff (Hrsg.): Alemannia XIX. Hanstein, Bonn 1892, Seite 42. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Alemannia_XIX_054.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)