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Und die Leute raunten sich nun mit halber Stimme zu, der Prinz sey närrisch geworden; einige aber gruben tiefer, und meinten, er suche die Weisheit, und dürfe sich das nur vor seinem Vater dem König nicht merken lassen; die Weisheit aber wohne nicht in dem großen Glanz und Getümmel noch in der Könige Häusern sondern müsse in der Einsamkeit gesucht und erfleht werden. Und der Prinz wohnte hinfort fast immer im Walde und kam selten in die Städte und auf die königlichen Schlösser. Jäger war er auch nicht mehr, und die Hirsche und Rehe mogten ruhig um ihn spielen und die Auerhähne locken und die Tauben girren, und die kleinen Nachtigallen Finken und

Zeisige singen – kein Hund und kein Hifthorn und kein rasselndes Geschoß störte den stillen Frieden dieser verborgenen Waldgründe. Prinz Hilderich war nun ein fleißiger und frommer Gärtner geworden, der Unkraut von den Beeten jätete und Bäume und Blumen pflanzte und begoß. Denn die Bäume und Blumen standen und blüheten noch wie vormals, und da wähnte das sehnsüchtig Herz die Füße und Hände der geliebten Kleinen wieder zu berühren. Wenn er aber von der Arbeit ermüdet war, dann ist er gesessen, wo er mit dem holdseligen Kinde gespielt hatte, und an der Stelle gestanden, wo er sie zuerst am Zaun stehend gefunden und wo sie ihm ein Sträußchen von Rosen und Lilien gereicht hatte. Da ist der arme Prinz oft stundenlang gestanden und hat in Sehnsucht bergan geschaut den Pfad hinauf, welchen er in glücklichen Tagen heruntergekommen war, und hat in seiner Sehnsucht den Tag und die Sonne vergessen, und der Mond

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Ernst Moritz Arndt: Mährchen und Jugenderinnerungen/Zweiter Theil. Berlin 1843, Seite 290. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Arndt_M%C3%A4hrchen_2_290.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)