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ich wette, diese Krankheit, die dir so schlimm däucht, ist von sehr natürlicher Art und noch heilbar. Wenn ich die Menschen kenne, so hat der Prinz irgend ein Bild im Traum gesehen oder sich aus Sonnenschein und Morgenroth eins gewoben und in dem Blumengarten seines jungen Herzens gehegt, oder ihm ist auch irgendwo leibhaftig das junge weiße Reh erschienen, von welchem er dir verblümt gesprochen; und das ist die Krankheit und Sehnsucht und das einsiedlerische Gärtchen und Häuschen im Walde, die einem königlichen Jüngling von achtzehn Jahren freilich nicht wohl stehen. Und gegen ein solches Übel weiß ich kein anderes Mittel, als er muß die Stätte ändern. Darum, Herr König, laß ihn in die Welt reisen auf Ritterschaft und mich mit ihm, und ich will sehen, ob ich Freude und Heldenthum neu in seiner Brust entzünden und ihn wieder gesund machen kann. Vielleicht auch, wenn die mannigfaltigsten Bilder des Lebens seine Jugend umspielen und umflattern, wie bunte Vögel den Frühling, daß jenes zu feste Bild dann aus seiner Seele weicht oder doch in milderen und helleren Farben darin spielt.

Und die Rede des weisen Reginfrid – so hieß der Rath und Freund des Königs – gefiel dem alten Könige wohl, und er hieß ihn sogleich in den Wald reiten und den Prinzen an den Hof bringen. Und als sie vor den König traten, sprach er also zum Prinzen: Mein Sohn, ich habe dir in allem immer den Willen und die Lust gelassen, wie sie deinem Herzen gefallen; aber nun muß ich mich deswegen wohl selbst schelten und es kann mich nicht länger gut dünken, daß du, der einmal Männern gebieten

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Ernst Moritz Arndt: Mährchen und Jugenderinnerungen/Zweiter Theil. Berlin 1843, Seite 292. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Arndt_M%C3%A4hrchen_2_292.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)