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Aschenbrödel ihm aufgehoben hatte. Aber des Nachts, sobald Aschenbrödel aus der Thüre ging in den Garten oder zu dem Grabe ihres Vaters, gleich war auch das weiße Täubchen da, und flog auch nicht von ihr sondern girrte und schmeichelte und streichelte mit dem Schnabel und mit den Flügeln, und saß auf Aschenbrödels Schooße und pickte ihr den Thau von ihren schönen Lippen und trank die Thränen, die aus ihren Augen flossen. Und Aschenbrödel hat das Täubchen über die Maaßen lieb gewonnen und oft gesagt, indem sie es innig herzte und an sich drückte: Mein liebes liebstes weißes Täubchen! hättest du nicht ein Federkleid an, ich könnte glauben, du wärest ein Engelein Gottes, welches das arme verlassene Nanthildchen trösten soll. Denn lieb und klug genug bist du dazu. Das war aber noch das Besonderste an dem Täubchen,

daß es, wann Aschenbrödel die Küche fegen und die Öfen und Zimmer putzen und das Holz auf dem Herd zurechtlegen und die Töpfe Schüsseln und Teller scheuren mußte, immer mit dabei war und so ämsig half, als wäre eine zweite Magd da gewesen. Alle Augenblicke flog sie dann zum Wassereimer und tauchte die beiden Flügel ein, wusch Schüsseln und Teller und säuberte Tische Bänke und Fenster, ja die Flur fegte sie oft mit den beiden Flügeln rein und brauchte diese gleichsam als zwei Besen so daß, wenn sie es im Hause klappern hörte und merkte, daß die Leute wach wurden und aufstanden, sie oft ganz schwarz und schmutzig von Aschenbrödel weggeflogen ist und sich an dem nächsten Bach hingesetzt und sich wieder weiß gewaschen hat. Ach! wie mußte der arme Aschenbrödel weinen, wenn

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Ernst Moritz Arndt: Mährchen und Jugenderinnerungen/Zweiter Theil. Berlin 1843, Seite 305. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Arndt_M%C3%A4hrchen_2_305.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)