Seite:De Arndt Mährchen 2 346.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

lich die Thrin aus Güntz gewesen, der Pastor hatte ihr das linke Bein durchschossen.

Dieser geistliche Schuß gab einen großen Glückswandel. Thrin lag wohl ein Vierteljahr elend im Bette, dann sah man sie wieder, aber sie humpelte mit einem lahmen Beine, und erzählte den Leuten, sie sey bei’m Äpfelschütteln vom Baum gefallen und habe sich dabei das Bein verrenkt. Nun ging es ihr aber schlimm. Weil sie nicht mehr so flink auf den Füßen war als sonst, so konnte sie, wann die Begier zu hexen mit plötzlicher Lüsternheit in ihr aufstieg, nicht mehr geschwind zu Andern oder zu Fremden kommen, sondern mußte ihr Eigenes behexen. Da ward denn fast täglich irgend etwas verdreht gelähmt oder umgebracht. Bei Tauben Hühnern und Gänsen fing es an, und mit dem großen Vieh hörte es auf. Und wie viel der alte Jochen Wulf sie auch prügelte, das half alles nichts: die Hexenlust ist ein unauslöschlicher und unbezwinglicher Trieb. Als also alles Federvieh verdorben oder erwürgt war, da ist die Kunst über die Ferkel und Lämmer hergefahren, darauf an die Kälber und Schaafe, endlich an die Kühe und Pferde. Der Bauer hat nun immer wieder neues Vieh kaufen müssen, und in solcher Weise ist in ein paar Jahren der Reichthum vergangen und das ungerechte Teufelsgut zerronnen. Ja ihr eignes einziges Kind hat sie zum Krüppel hexen müssen; und der alte Wulf ist aus Angst, daß ihm zuletzt Ähnliches widerfahren möge, in die weite Welt gegangen, und ist auf immer ein verschollener Name geblieben. Einige erzählten aber, die Thrin habe ihn verwandelt, und habe wegen

Empfohlene Zitierweise:
Ernst Moritz Arndt: Mährchen und Jugenderinnerungen/Zweiter Theil. Berlin 1843, Seite 346. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Arndt_M%C3%A4hrchen_2_346.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)