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her von Possen machen, womit nicht nur harmlose „Narrens-Possen,“ sondern alle Arten bertüglicher auf Gewinn abzielenden Schwindeleien verstanden waren. Der Ausdruck ist alt, wenn gleich die Sache noch viel älter ist.

Solch’ eine Putzenmakersche war auch ein Landweib, Wibeke, gebürtig aus Moorwärder, von geringer Herkunft, aber mit gewaltigem Mundwerk begabt. Die lies in der Stadt umher, log ehrlichen Leuten schlechte Waare für gutes Geld an, trog ihnen unter allerlei Vorwänden Geschenke ab und machte Wind und Possen wie die geschickteste Gaunerin. Und wenn eine Manier nicht länger ziehen wollte, so erfand sie flugs eine andere. Ao. 1537 hatte sie das Gevatterbitten erfunden, damit betrog sie die halbe Stadt und schwindelte ein Erkleckliches zusammen. Da sie nämlich seit Jahren in den guten Häusern aus- und eingegangen war, so kannte sie alle Familien-Verhältnisse und Umstände, auch die anderen oder interessanten der Frauen, ganz genau. Wo’s denn halbweges paßte, da ging sie in ein Haus, vermeldete ein feines Compliment von Diesem oder Jenem, seine Frau Liebste wäre von einem Kindlein verlöset worden, und er lasse schön zu Gevatter bitten u. s. w. Damals mochten die Leute noch gern Gevatter stehen und Pathen Stelle vertreten, die Taufschmäuse und Kindelbiere waren auch nicht zu verachten, darum blieben sie nicht lange bei Betrachtung der Ansagerin stehen, sondern verabreichten ihr ein honettes Biergeld; und wenn sie dann am dritten Tage wohlgeputzt zur Taufe zu kommen gedachten, so war Alles eitel blauer Dunst gewesen, und zum Schaden hatten sie noch den Spott zu tragen. In dieser Weise trieb sie’s lange, und wußte nicht nur die geringen und einfältigen, sondern selbst die vornehmsten, gelehrtesten und klügsten Leute auf das Unverschämteste zu prellen.

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Otto Beneke: Hamburgische Geschichten und Sagen. Hamburg: Perthes-Besser & Mauke, 1854, Seite 222. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Beneke_Hamburgische_Geschichten_und_Sagen_222.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)