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seines Hauses gestanden, um das Schauspiel zu sehen, und sich darob gefreuet. Und als der Herr, ermattet von der Last des Kreuzes, das er getragen, sich an seinem Hause habe anlehnen wollen, um zu rasten, da sei er im blinden Zorneseifer, und um des Ruhmes willen bei den andern Juden, so unmenschlich grausam gewesen, daß er dem Heren keinen Augenblick Ruhe gegönnet, sondern ihn fortgetrieben habe von seiner Schwelle. Und da habe der Herr Christus ihn nur eine Welle angeblickt und gesagt: „ich wollte hier nur stehen und ruhen, du aber sollst gehen ohne Ruhe bis an den jüngsten Tag.“ Und alsbald habe er, obschon er es eigentlich nicht gewollt, dem Zuge nachgehen müssen, habe die ganze Kreuzigung unter wachsender Unruhe mit angesehen, worauf er die bergeschwere Last seiner Versündigung empfunden, und es ihm schier unmöglich gedäucht, wieder heim gen Jerusalem zu gehen, weshalb er fortgegangen wäre, immer zu, Heimath und Freunde, Haus und Hof, Weib und Kind verlassend, durch fremde Länder irrend wie ein betrübter Pilgrim, ohne Rast, ohne Ruhe: Jahrhunderte wären also verstrichen, er habe einmal Jerusalem wieder besucht und Alles verödet gefunden, und die alte Herrlichkeit zerstört. Und so inniglich er sich sehne, aus dieses Erdenlebens Jammerthal erlöset zu werden, so glaube er doch, daß Gott ihn leben lassen werde, wie’s der Heiland gesagt, bis zum jüngsten Tage, damit er dann als lebendiger Zeuge wider die Juden diene, zur Bekehrung der Gortlosen und Ungläubigen.

Und auf solche schier unglaublich klingende Aussage hat Paulus von Eitzen den Mag. Matthäus Delius, Rector der Schule hieselbst, geholt; der war in den Historien der alten Welt trefflich belesen, und kannte aller Dinge Verlauf, und hat den Pilgrim examinirt, und dann mit größter Verwunderung bekannt, Alles, was der Fremdling angebe, sei richtig

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Otto Beneke: Hamburgische Geschichten und Sagen. Hamburg: Perthes-Besser & Mauke, 1854, Seite 225. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Beneke_Hamburgische_Geschichten_und_Sagen_225.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)