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und weisser Tinctur erhalten, nebst Anweisung sie zu gebrauchen. Von dem Golde, was er damit aus Blei darstellte, wurden Ducaten geprägt, und aus dem Silber die hessischen Speciesthaler von 1717, auf welchen steht: Sic Deo placuit in tribulationibus. (Kopp. II. 271.)

Es ist wohl kaum zu bezweifeln, dass es den Liebhabern der Alchemie in den eben bezeichneten Fällen ergangen ist wie dem berühmten und hochverdienten Professor der Theologie Joh. Sal. Semler in Halle († 1791), der sich 1786 mit einer damals berühmten Universalarznei, welche ein gewisser Baron von Hirsch unter dem Namen Luftsalz feil bot, beschäftigte; er glaubte gefunden zu haben, dass in diesem Salze, angefeuchtet und warm gehalten, sich Gold erzeuge. Er schickte 1787 eine Portion dieses Salzes sammt darin gewachsenem Golde an die Akademie zu Berlin. Klaproth, der es untersuchte, fand darin Glaubersalz, Bittersalz in ein Harnmagma eingehüllt und Blattgold in hübschen Dimensionen. Semler schickte auch an Klaproth Salz, in welchem noch kein Gold gewachsen sei, und einen Liquor, welcher „den Goldsamen enthalte und das Luftsalz in der Wärme befruchte,“ es zeigte sich indess, dass das Salz bereits mit Gold vermengt war. Semler glaubte fest an die Entstehung des Goldes, er schrieb 1788: „2 Gläser tragen Gold, alle 5 oder 6 Tage nehme ich es ab, 12 bis 15 Gran, 2 bis 3 andere sind auf dem Wege, und das Gold blüht unten durch.“ Eine neue Sendung an Klaproth in Blättern von 4 bis 6 Quadratzoll zeigte, dass die Pflanze sich verschlechtert hatte, sie trug jetzt unechtes Gold, Tomback. Die Sache klärte sich dahin auf, dass Semler’s Diener, welcher des Treibhauses warten sollte, Gold in die Gläser gelegt hatte, um seinen Herrn zu vergnügen; bei einer Verhinderung des Dieners übernahm dessen Frau das Geschäft, welche indess der Meinung war, dass unechtes Gold wohlfeiler sei und denselben Zweck erfülle.

Im 14., 15. und 16. Jahrhundert war man aber mit den Mitteln echtes Gold und Silber von gold- und silberähnlichen Gemischen zu unterscheiden, nicht so vertraut als zu Semler’s Zeit. Die grossartigen Betrügereien, welche von den Goldmachern verübt wurden, vermochten den Glauben an die Wirklichkeit der Metallverwandlung nicht zu schwächen; Heinrich VI. von England (1423) forderte in vier aufeinanderfolgenden Decreten alle Edlen, Professoren und Geistlichen auf, sich dem Studium der Kunst nach Kräften zu widmen, damit man Mittel gewinne, die Staatsschulden zu bezahlen. Die Geistlichen namentlich, meinte der König, sollten sich um die Erfindung des Steins der Weisen bemühen, da sie ja Brod und Wein in Christi Leib und Blut verwandeln könnten, so werde es ihnen mit Gottes Hülfe auch gelingen, eine Verwandlung der unedlen Metalle in Gold zu bewirken. Welchen Erfolg diese Decrete hatten, wird man daraus entnehmen können, dass das schottische Parlament in allen Häfen des Reichs, und namentlich an der Grenze zu wachen befahl, dass kein falsches Gold eingebracht werde, und es sollen die Nachkommen dieser Goldmacher noch jetzt in Birmingham bestehen.

Im 16. Jahrhundert befanden sich Alchemisten an allen Höfen der Fürsten; Kaiser Rudolph II., Friedrich von der Pfalz waren als Gönner der Alchemie berühmt. In allen Ständen beschäftigte man sich mit dem Goldmachen, und strebte in den Besitz des grossen Geheimnisses zu

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Justus von Liebig: Chemische Briefe. Leipzig und Heidelberg 1878, Seite 31. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Chemische_Briefe_Justus_von_Liebig_031.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)