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anfänglich für wirkliche Bestandtheile der Metalle; man glaubte von ihrem Vorhandensein gewisse Eigenschaften abhängig, ganz so, wie man später die Kausticität des Kalkes und der Alkalien einem Kausticum, den eigenthümlichen Geruch gewisser Körper dem Spiritus rector, und die Sauerheit der Säuren einer Ur- oder Primitivsäure zuschrieb.

Die Sprache des gewöhnlichen Lebens, welche alle abstracten Begriffe vermeidet, erklärt es, warum man im Beginne der Forschung ein gewisses Verhalten oder gewisse Eigenthümlichkeiten körperlichen Ursachen zuschreibt. Selbst Lavoisier konnte sich von der Idee einer Ursäure nicht trennen, er hielt den Sauerstoff für den Ursäure-Erzeuger, und lange noch nach ihm sahen Viele in dem Wasserstoff die sauren Eigenschaften der Säure bedingt.

Allmählich traten in den Ideen der Alchemisten an die Stelle von wirklichem Schwefel und Quecksilber ein ideeller Schwefel, ein ideelles Quecksilber, Dinge, welche eine gewisse Anzahl von Eigenschaften in sich vereinigten. Später gestalteten sich diese Dinge zu Elementarqualitäten.

Eine Anzahl von Körpern besass die Eigenschaft der Flüchtigkeit im Feuer ohne Aenderung ihrer übrigen Eigenschaften; sie waren sublimirbar wie Arsenik, oder destillirbar wie Quecksilber; eine andere Classe war im Feuer flüchtig und veränderlich wie Schwefel; eine dritte war veränderlich und feuerbeständig wie die Aschensalze. Schwefel, Mercurius (Arsenik), Salz wurden, wie bemerkt, zuletzt zu abstracten Begriffen, zu einfachen Elementen in dem Sinne der aristotelischen Elemente.

Wie wir von der Gestalt und Form eines Gedankens sprechen, ohne uns darunter eine körperliche Gestalt zu denken, so drückte man damals einfache Begriffe durch körperliche Dinge aus, ohne sich etwas anderes als Eigenschaften darunter zu denken. Die Namen dieser Dinge wurden zu Bindenamen für gewisse Eigenthümlichkeiten, die wir heute noch brauchen, mit dem Unterschied, dass wir denselben, um ihre Unkörperlichkeit zu bezeichnen, das Wort Kraft, wie in dem Wort „katalytische Kraft“, anhängen.

Von dem Weingeist sagt Basilius Valentinus: „da ein rectificirtes Aqua vitae angezündet wird, so scheidet sich der Mercurius und der Sulphur von einander, der Schwefel brennt ganz hitzig, denn er ist ein lauter Feuer, so fleuget der zarte Mercurius in die Luft und gehet wieder in sein Chaos.“

Der Weingeist war schwefelhaltiger vegetabilischer Mercur, was nichts anderes sagen wollte, als dass er Brennbarkeit und Flüchtigkeit besass.

Indem man in den einfachen Begriff der Brennbarkeit (Schwefel), Feuerbeständigkeit (Salz) und Flüchtigkeit (Mercur) besondere Eigenthümlichkeiten der brennbaren, flüchtigen und feuerbeständigen Körper mit aufnahm, nach Massgabe als sie beobachtet wurden (öliger, fetter, erdiger Mercur, öliger, fetter, erdiger, leicht-, schwer-entzündlicher Schwefel, erdiges, schmelzbares, glasartiges Salz, brennbare, fette, ölige mercurialische Erde etc.), da verlor sich die Bedeutung des ursprünglichen Begriffs; indem er zu weit und ausgedehnt wurde, schloss er das Beobachtete nicht mehr in sich ein, und als Boyle nach dem Schwefel, Mercur und

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Justus von Liebig: Chemische Briefe. Leipzig und Heidelberg 1878, Seite 48. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Chemische_Briefe_Justus_von_Liebig_048.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)