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der Atome selbst nehmen. Diese Zahlen drücken in diesem Sinne, wie sich von selbst versteht, nur die Gewichtsunterschiede der Atome aus, wie viel mal das eine Atom schwerer als das andere ist. Die in der Tabelle S. 61 angeführten Zahlen beziehen sich auf die Vertretung einer Gewichtsmenge Wasserstoff = 1 oder auf die Vertretung der mit dieser Wasserstoffmenge in dem Wasser verbundenen Sauerstoffmenge. Auf 1 Gewichtstheil Wasserstoff enthält das Wasser 8 Gewichtstheile Sauerstoff; wenn man nun annimmt, das Wasser bestehe aus 1 Atom Wasserstoff und 1 Atom Sauerstoff, wenn man ferner voraussetzt, dass zur Vertretung von 1 Atom Wasserstoff oder Sauerstoff immer nur 1 Atom eines anderen Körpers und nicht mehr oder weniger nöthig ist, so drücken die Gewichte der anderen Körper die Atomgewichte derselben aus, in Zahlen, die sich natürlich alle auf 1 Gewichtstheil Wasserstoff oder 8 Gewichtstheile Sauerstoff beziehen. Multiplicirt man alle Aequivalentenzahlen mit 12½, so wird die Aequivalentenzahl des Wasserstoffs 12,5, die des Sauerstoffs wird 100, und die übrigen Zahlen drücken alsdann aus, wie viel von den verschiedenen anderen Körpern dazu gehört, um 100 Sauerstoff oder um 12½ Wasserstoff zu vertreten. Durch Multiplication aller Aequivalente mit einer und derselben Zahl werden ja die Beziehungen, in denen sie zu einander stehen, in keiner Weise geändert, und es ist ganz gleichgültig, ob man sich der Zahlen bedient, die sich auf den Wasserstoff als Einheit oder auf den Sauerstoff = 100 beziehen.



Achter Brief.


Die Atome müssen, unserer Vorstellung nach, einen gewissen Raum einnehmen und eine gewisse Gestalt besitzen: durch ihre Verbindung unter einander entstehen zusammengesetzte Atome, die natürlicher Weise einen gleichen oder grösseren Raum einnehmen, wie die einfachen zusammengenommen; je nach ihrer Zusammensetzung oder der Art und Weise, wie sie sich geordnet haben, muss die Form wechseln. Bei den krystallisirenden Körpern, deren kleinste Theilchen eine bestimmte Gestalt besitzen, lässt sich, wie sich von selbst versteht, allein wahrnehmen, in welcher Beziehung die Form des Krystalls zu seiner Zusammensetzung steht. Man hat hierüber sehr interessante Beobachtungen gemacht.

Wenn nämlich zwei Salze von verschiedener Krystallgestalt aus einer und derselben Flüssigkeit krystallisiren, so bilden sich die Krystalle des einen Salzes vollkommen so aus, wie wenn das andere Salz in der Flüssigkeit gar nicht vorhanden wäre. Bringen wir eine Handvoll Salpeter und Kochsalz in eine hinreichende Menge Wasser, so lösen sich beide darin auf. Stellen wir die Auflösung auf einen warmen Ofen, so verdunstet allmählich das Wasser und die beiden Salze lagern sich in Krystallen auf dem Boden des Gefässes wieder ab; mit blossem Auge unterscheidet man die Würfel des Kochsalzes von den langen Säulen, welche dem Salpeter angehören. Nehmen wir einen Kochsalzkrystall

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Justus von Liebig: Chemische Briefe. Leipzig und Heidelberg 1878, Seite 69. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Chemische_Briefe_Justus_von_Liebig_069.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)