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und denselben Quotient geben, eben weil sie in gleichen Räumen eine gleiche Anzahl von Atomen enthalten; ist die Anzahl ungleich, oder sind die Atome abweichend in ihrer Form, Gestalt und Grösse, so wird sich diese Abweichung auch in diesen Quotienten zu erkennen geben. Dies machte nun die Kenntniss dieser Zahlen für die Vergleichung sehr werthvoll, und um denselben einen Namen zu geben, hat man sie mit Atomvolum oder specifisches Volum bezeichnet. So, sagt man, ist das Atomvolum des Chlors 25, das des Jods ist ebenfalls 25, beide sind gleich, sie sind isomorph; das des Schwefels ist 8, es ist sehr verschieden von dem des Chlors, mit dem es nicht isomorph ist, allein es ist gleich mit dem des Selens, mit welchem es isomorph ist.

Diese Zahlen lassen also auf den ersten Blick erkennen, welche Körper eine gleiche oder ungleiche Anzahl von Atomen in gleichen Raumtheilen enthalten; ihre gegenseitigen Beziehungen sind dadurch vergleichbar und die genaue Ermittelung derselben ist von hohem Werthe.



Neunter Brief.


Wenn man von den Fortschritten und der Entwickelung der neueren Chemie reden will, so kann man nicht umhin, den Mitteln und Werkzeugen, die der Chemiker zu seinen Arbeiten benutzt, eine Lobrede zu halten. Ohne Glas, ohne Kork, Platin und Kautschuk wären wir heute vielleicht nur halb so weit. Zu Lavoisier’s Zeiten war es nur wenigen und zwar nur sehr reichen Leuten, der Kostspieligkeit der Apparate wegen, gestattet, chemische Untersuchungen zu machen.

Die wunderbaren Eigenschaften des Glases kennt Jedermann: durchsichtig, hart, farblos, unveränderlich durch Säuren und die meisten Flüssigkeiten, in gewissen Temperaturen geschmeidiger und biegsamer als Wachs, nimmt es in der Hand des Chemikers, vor der Flamme einer Oellampe, die Form und die Gestalt aller zu seinen Versuchen dienenden Apparate an.

Welche kostbare Eigenschaften vereinigen sich im Kork! Wie wenig vermögen Andere seinen Werth zu schätzen und seine Tugenden anzuerkennen! Vergebens würde man sich den Kopf zerbrechen, um den Kork als ganz gewöhnlichen Verschluss einer Bouteille durch etwas Anderes zu ersetzen. Man denke sich eine weiche, höchst elastische Masse, welche die Natur selbst mit einer Substanz getränkt hat, die zwischen Wachs, Talg und Harz steht (dem Suberin), wodurch sie die Eigenschaft erhält, völlig undurchdringlich für Flüssigkeiten, ja selbst bis zu einem gewissen Grade für alle Gase zu sein. Wir verbinden durch Kork weite mit engen Oeffnungen, und mittelst Kautschuk und Kork construiren wir die zusammengesetztesten Apparate von Glas, ohne dazu den Metallarbeiter und Mechanikus, Schrauben und Hähne zu bedürfen. Die Apparate des Chemikers sind eben so wohlfeil als rasch und schnell zu Stande gebracht und erneuert.

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Justus von Liebig: Chemische Briefe. Leipzig und Heidelberg 1878, Seite 77. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Chemische_Briefe_Justus_von_Liebig_077.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)