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dieses Gas, dessen Bestandtheile Stickstoff und Wasserstoffgas sind, verbrennt unter diesen Umständen vollständig, und zwar entsteht hierbei aus Wasserstoff Wasser und bei hinreichendem Sauerstoffgas aus dem Stickstoff das höchste Oxyd desselben, bekannt unter dem Namen Salpetersäure.

Wenn in einem Gefässe mit Luft ein Stück Schwefel verbrannt wird, so entsteht eine gasförmige Verbindung des Schwefels mit dem Sauerstoff der Luft, die Jedermann kennt. Der Geruch, den der verbrennende Schwefel verbreitet, rührt von diesem Gase, der schwefligen Säure her.

Durch ihre Verbindung mit halbmal so viel Sauerstoff, als sie schon enthält, entsteht bei Hinzufügung einer gewissen Menge Wasser die für die Gewerbe so überaus wichtige Schwefelsäure.

In der Fabrikation der Schwefelsäure aus Schwefel ist es die Luft, welche allen Sauerstoff zu ihrer Bildung liefert; aber die durch Verbrennung des Schwefels entstehende gasförmige schweflige Säure lässt sich nicht direct und unmittelbar mit freiem Sauerstoffgas zu Schwefelsäure vereinigen: der letztere vereinigt sich hingegen leicht damit, wenn er der schwefligen Säure in gewissen Zuständen sehr loser Verbindungen dargeboten wird.

Setzen wir schweflige Säure zu Brunnenwasser oder Flusswasser, welches Sauerstoffgas in Auflösung enthält, so geht die schweflige Säure in Schwefelsäure über, indem sie sich mit diesem Sauerstoff verbindet.

In gleicher Weise wird bei dem Schwefeln des Weines der beim Abfüllen desselben aus der Luft aufgenommene Sauerstoff wieder entzogen und der Essigbildung vorgebeugt.

In einer ähnlichen Weise verhält sich das Platin; in eine Mischung von Sauerstoffgas und schwefliger Säure gebracht, ertheilt es dem Sauerstoff das Vermögen, mit schwefliger Säure sich zu Schwefelsäure zu verbinden.

Leitet man das Gemenge beider Gase über Platinschwamm, welcher in einer Glasröhre im schwachen Glühen erhalten wird, so strömt aus der andern Oeffnung derselben wasserfreie Schwefelsäure, welche in feuchter Luft einen Qualm von dicken weissen Dämpfen bildet. Die Feuchtigkeit der Luft verbindet sich mit der Schwefelsäure zu Schwefelsäurehydrat, aus welchem die Säure des Handels besteht.

Eine ähnliche Rolle wie das Platin spielt in der Fabrikation der Schwefelsäure das Salpetergas. Es ist dies das bekannte gasförmige Oxyd des Stickstoffs, welches mit Luft gemischt braunrothe Dämpfe bildet, indem es die unter Gasen seltene Eigenschaft besitzt, direct eine Verbindung mit dem Sauerstoff der Luft einzugehen. Bei Gegenwart von Feuchtigkeit und hinlänglichem Sauerstoff verwandelt sich das Salpetergas in Salpetersäure. Wenn mit dieser Säure schweflige Säure zusammenkommt, so wird sie sogleich in Salpetergas zurückverwandelt; aller Sauerstoff, den dieses aufgenommen hatte, um in Salpetersäure überzugehen, tritt an die schweflige Säure, sie verwandelt sich in Schwefelsäure. Es ist vollkommen einleuchtend, dass das Salpetergas, da es nicht die geringste Veränderung erleidet, vielmal zu demselben Zwecke dienen kann; mit Luft und Feuchtigkeit in Berührung wird es wieder in Salpetersäure übergehen, und kommt damit auf’s Neue schweflige Säure zusammen, so wird wieder Schwefelsäure und Salpetergas gebildet.

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Justus von Liebig: Chemische Briefe. Leipzig und Heidelberg 1878, Seite 85. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Chemische_Briefe_Justus_von_Liebig_085.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)