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weissen oder gelblichen etwas eisenhaltigen Kieselsäure entdeckt, welche gänzlich aus den Panzern oder Schalen von gewissen Infusorien besteht und die sich ohne alle Schmelzung mit Natron zu Wasserglas verbinden lässt; kochende Aetznatronlauge löst das doppelte Gewicht von dieser Infusorienerde auf und diese Lösung kann, nachdem sie von dem aufgeschlämmten Eisenoxyde durch Klärung befreit ist, ganz wie jede auf anderm Wege dargestellte Wasserglas-Lösung verwendet werden.

Eine höchst wichtige Anwendung der Schwefelsäure kann hier nicht unerwähnt gelassen werden; es ist die zum Affiniren des Silbers und zur Gewinnung des im Silber nie fehlenden Goldes.

Unter dem Process des Affinirens versteht man bekanntlich die Reindarstellung des Silbers, seine Scheidung nämlich von Kupfer. Wir erhalten aus den Bergwerken 8- bis 10löthiges Silber, was in 16 Lothen (1 Mark) also 6 bis 8 Loth Kupfer enthält. Unser Münz- und Werksilber enthält in der Mark 12, 13 bis 14,4 Loth Silber, was in den Münzstätten durch Legirung von feinem, d. h. reinem Silber mit Kupfer in dem bestimmten Verhältnisse dargestellt wird. Das Rohsilber muss zu diesem Zweck in feines verwandelt, affinirt werden. Früher geschah dies durch Abtreibung mit Blei; es war dazu ein Kostenaufwand nöthig, der für die 100 Mark Silber etwa zwanzig Gulden betrug. In dem auf diese Weise gereinigten Silber blieb aber 1/1200 bis 1/2000 Gold zurück, dessen Scheidung die Kosten nicht lohnte; dieses Gold circulirte in unsern Münzen und Geräthen völlig werthlos, und der grösste Theil des Kupfers ging für den Besitzer des Rohsilbers gänzlich verloren. Diese Verhältnisse haben sich jetzt auf eine überraschende Weise geändert. Das Tausendstel Gold im Rohsilber macht nämlich etwas mehr als 1½ Procent vom Silberwerth aus, was jetzt nicht allein die Kosten seiner Darstellung deckt, sondern dem Affineur auch noch einen erklecklichen Gewinn gewährt. So tritt denn der sonderbare Fall ein, dass wir dem Affineur Rohsilber geben, für welches er uns den durch die Probe genau ausgemittelten Gehalt an feinem Silber, so wie das Kupfer wieder liefert, ohne dass wir ihm für seine Arbeit scheinbar etwas bezahlen; er ist bezahlt durch den Goldgehalt unseres Silbers, den er zurückbehält.

Die Affinirung des Silbers nach dem neuen Verfahren ist eine der schönsten chemischen Operationen. Das gekörnte Metall wird in concentrirter Schwefelsäure gekocht, wo sich Silber und Kupfer auflösen, während alles Gold als schwarzes Pulver zurückbleibt. Die Auflösung enthält Silber- und Kupfervitriol. Man bringt sie in Tröge von Blei, wo sie mit altem Kupfer in Berührung gelassen wird. Eine Folge davon ist, dass sich das aufgelöste Silber völlig rein und vollkommen ausscheidet, während von dem Kupfer eine gewisse Portion in Auflösung tritt; man hat also zu Ende der Operation reines metallisches Silber und Kupfervitriol.

Das in dieser Scheidung gewonnene Gold ist nicht rein, es enthält, durch Kochen mit kohlensaurem Natron und Behandlung mit Salpetersäure von beigemengtem schwefelsauren Bleioxyd, Eisenoxyd und Schwefelkupfer befreit, in 1000 Gewichtstheilen 970 Gold, 28 Silber und wie Pettenkofer kürzlich gefunden hat, als nie fehlenden Bestandtheil bis zu 2 Th. Platin, welche letztere beiden Metalle man durch Schmelzen mit saurem schwefelsauren Natron und Salpeter leicht von dem Golde trennt.

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Justus von Liebig: Chemische Briefe. Leipzig und Heidelberg 1878, Seite 93. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Chemische_Briefe_Justus_von_Liebig_093.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)