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Lampen gebrannt, entwickeln sie die nämliche Lichtmenge, ihrer Verbrennung geht unter allen Umständen eine Vergasung voraus, ohne dass man, wie in den Gasfabriken, hierzu einen besonderen Apparat nöthig hat. Für gewisse Zwecke, zur Beleuchtung von grossen Städten, Gasthäusern, wo man Verluste durch gestohlenen Talg oder Oel, wo man ein Capital für das Putzen der Lampen in Rechnung zu nehmen hat, compensirt sich der höhere Preis des Gaslichts; aber auch selbst dann liegt ein grosser Theil des Nutzens in der Verwerthung der Kohks. Wo sie nicht abgesetzt werden können, hat man Schaden zu gewärtigen. An Orten, wie in Frankfurt a. M., wo man das Gas aus Harz, Terpentinöl und anderen wohlfeilen Oelen gewinnt, wird man so lange mit einigem Vortheil fabriciren, als diese Beleuchtungsweise in einem kleinen Massstab betrieben wird. Würden grosse Städte auf diese Art mit Licht versehen, so wäre die unmittelbare Folge ein Steigen der Preise dieser Materialien; kaum würde z. B. alles Terpentinöl, das man in den Handel bringt, für zwei Städte wie Berlin und München hinreichen, und auf die gegenwärtigen Preise dieser Stoffe, deren Gewinnung an und für sich kein Gegenstand der Industrie sein kann, lassen sich keine Berechnungen gründen. Für Kurhessen stellt sich die Gasbeleuchtung aus den vortrefflichen schmalkaldischen Kohlen am vortheilhaftesten, und gerade in diesen Gegenden kennt man sie nicht. Anstatt die Kohlen in der Nähe der Gruben zu verkohken und das Leuchtgas verloren zu geben, wie es in diesem Augenblick geschieht, wäre es unstreitig vortheilhafter, die Kohlen mit dem Leuchtgas nach Kassel zu verfahren, in verschlossenen Gefässen an Ort und Stelle zu verkohken und das Gas zur Beleuchtung zu benutzen.

Auf besserer Grundlage scheint sich für viele Orte des Continentes die Fabrikation des Leuchtgases aus Holz zu gestalten, welche durch die bewunderungswürdigen Versuche Pettenkofer’s neu ins Leben gerufen und man kann geradezu sagen neu entdeckt worden ist, nachdem man sie bereits vor einem halben Jahrhundert als völlig unanwendbar aufgegeben hatte.

Das Holz liefert bei der Destillation in Pettenkofer’s verbesserten Apparaten ein Leuchtgas, welches von aller Kohlensäure befreit, wie aus dem Gutachten der von der bayerischen Regierung zur vergleichenden Prüfung des Holz- und Steinkohlengases niedergesetzten Commission hervorgeht, in seinem Leuchtvermögen letzteres übertrifft; es ist ganz frei von Schwefel und kann deshalb in Wohnzimmern, in Magazinen von Seidenwaaren ohne allen Nachtheil für die Menschen oder die Farben der Waaren gebrannt werden. Für die Erzeugung von 1000 Kubikfuss Gas braucht man 150 Pfd. trockenes Holz zur Destillation, 34 Pfd. Steinkohlen und 19 Pfd. Holzkohlen zum Heizen und 52 Pfd. Kalk zum Reinigen des Gases. Aus 100 Pfd. Holz erhält man 668 Kubikfuss gereinigtes Gas, 18 Pfd. Holzkohlen und 2⅓ Pfd. Holztheer, so wie 8 bis 18 Pfd. Holzessig. Man erhält, wie man sieht, in dieser Fabrikation lauter Nebenproducte, die sich eben so gut verwerthen wie das Leuchtgas selbst. In Darmstadt, Baireuth, Ulm und vielen anderen Städten des Continentes hat die Beleuchtung mit Holzgas Eingang gefunden, und es ist nicht zu bezweifeln, dass sie nach und nach überall, wo man ihre Vortheilhaftigkeit einzusehen gelernt hat, das Oel- und Harzgas

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Justus von Liebig: Chemische Briefe. Leipzig und Heidelberg 1878, Seite 102. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Chemische_Briefe_Justus_von_Liebig_102.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)