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nur in höheren Temperaturen, oder unter Mitwirkung anderer Körper zukommen; das an sich passive Sauerstoffgas wird unter diesen Umständen activ wie das ozonisirte, allein das letztere trägt die activen Eigenschaften an sich selbst, in seinen Moleculen.

Die nächste Veranlassung zur Entdeckung dieser merkwürdigen Umwandlung des Sauerstoffs durch Schönbein boten einige Erscheinungen dar, welche die Luft zeigt, durch die man eine Anzahl elektrischer Funken schlagen lässt; sie nimmt dadurch einen eigenthümlichen Geruch an, den Physikern bekannt unter dem Namen des elektrischen Geruches. Dieser Geruch rührt von ozonisirtem Sauerstoff her, welcher sich unter diesen Umständen bildet; auch bei der Wasserzersetzung durch den galvanischen Strom wird ein Theil des Sauerstoffs in ozonisirten übergeführt.

Es ist erwähnt worden, dass der ozonisirte Sauerstoff Jodmetalle zersetzt, aus Jodkalium z. B. das Jod ausscheidet; das Jod bildet bekanntlich mit Stärkmehl oder Stärkmehlkleister eine indigblaue Verbindung. Wenn man nun Stärkmehlkleister mit etwas Jodkalium vermischt, und poröses Fliesspapier damit bestreicht und trocknen lässt, so hat man in diesem Papier ein höchst empfindliches Entdeckungsmittel des ozonisirten Sauerstoffes.

Lässt man aus einem Conductor Elektricität in atmosphärische Luft ausströmen, so färbt sich in dieser Luft das eben erwähnte Reagenspapier in wenigen Augenblicken indigblau, es entsteht ozonisirter Sauerstoff, der aus dem Jodkalium im Papier das Jod in Freiheit setzt, welches sich mit dem Stärkmehl zu blauem Jodstärkmehl verbindet.

Dieselbe Wirkung auf dieses Papier besitzt der durch Elektrolyse des Wassers gewonnene Sauerstoff.

Schönbein fand, dass auch durch gewisse chemische Actionen der Sauerstoff der Luft in ozonisirten überführbar ist.

Legt man in eine grosse Glasflasche ein Stück Phosphor und giesst so viel Wasser hinein, dass das Phosphorstück etwa zur Hälfte damit bedeckt ist und lässt die Flasche leicht verschlossen bei 16–20° C. einige Stunden lang stehen, so tritt die Ozonisirung des Sauerstoffs ein; sehr bald nimmt man den eigenthümlichen (etwas knoblauchartigen) Geruch des ozonisirten Sauerstoffs wahr und beim Einbringen eines Streifens Jodstärkmehlpapier in die Flasche färbt sich dieses tief schwarzblau.

Bemerkenswerth ist, dass die Sauerstofftheilchen, um ozonisirt zu werden, sich in einer gewissen Entfernung von einander befinden müssen; in reinem Sauerstoffgas tritt bei gewöhnlicher Temperatur keine Ozonisirung ein, leicht hingegen in durch die Luftpumpe verdünntem, oder wenn er wie in der Luft mit ⅘ Stickgas oder mit eben so viel Wasserstoffgas gemischt ist. Entfernt man den Phosphor aus der Flasche und schüttelt die darin enthaltene Luft wiederholt mit Wasser, so verliert sich allmählich der die Flasche erfüllende weisse Rauch der Phosphorsäure, ohne dass sich das ozonisirte Sauerstoffgas im Wasser löst und man kann jetzt in dieser Luft alle Eigenthümlichkeiten desselben studiren. Hängt man in die Flasche einen Streifen feingeschlagenes Silber (sog. Silberschaum) ein, so färbt sich dieses sehr bald dunkelbraun, indem das Metall zu Hyperoxyd oxydirt wird.

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Justus von Liebig: Chemische Briefe. Leipzig und Heidelberg 1878, Seite 116. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Chemische_Briefe_Justus_von_Liebig_116.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)