Seite:De Chemische Briefe Justus von Liebig 127.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.


Aluminium zusammensetzen, weil wir bis zu einer gewissen Grenze frei über ihre chemische Verwandtschaft, so wie über die Wärme und damit über die Ordnung verfügen können; allein ein Stärkekörnchen können wir aus seinen Elementen nicht zusammensetzen, weil zu ihrem Zusammentreten in der dem Stärkekorn eigenthümlichen Form die Lebenskraft mitwirkte, die unserem Willen nicht in gleicher Weise wie Wärme, Licht, Schwerkraft etc. zu Gebote steht. Sind aber die Elemente in dem Organismus einmal zu organischen Atomen zusammengetreten, so gehören sie in die Classe der übrigen chemischen Verbindungen; wir sind im Stande, die in ihren Atomen thätige Kraft welche sie zusammenhält, nach mannichfaltigen Richtungen hin zu lenken, zu ändern, zu erhöhen und zu vernichten, wir können aus zwei, drei, vier zusammengesetzten organischen Atomen, indem wir sie mit einander verbinden, Atome höherer Ordnungen hervorbringen, wir können die zusammengesetzteren in einfachere zerfallen machen; aus Holz und Amylon können wir Zucker, aus Zucker können wir Oxalsäure, Milchsäure, Essigsäure, Aldehyd, Alkohol, Ameisensäure, wie wohl keine einzige dieser Verbindungen aus ihren Elementen hervorbringen.

Auf das Zusammentreten der Elemente zu einer chemischen Verbindung hat die Lebenskraft nicht den geringsten Einfluss; kein Element für sich ist fähig, zur Ernährung, zur Entwickelung einer Pflanze oder des thierischen Organismus zu dienen. Alle Stoffe, welche Antheil an dem Lebensprocess nehmen, sind niedere Gruppen von einfachen Atomen, die durch den Einfluss der Lebenskraft zu Atomen höherer Ordnungen zusammentreten. Die Form, die Eigenschaften der einfachsten Gruppen von Atomen, bedingt die chemische Kraft unter der Herrschaft der Wärme, die Form und Eigenschaften der höheren, der organisirten Atome bedingt die Lebenskraft.



Siebzehnter Brief.


Der Kohlenstoff aller Theile und Bestandtheile der Vegetabilien, und durch diese der Thiere stammt von der Kohlensäure, aller Wasserstoff der stickstofffreien Materien von dem Wasser, der Stickstoff der stickstoffhaltigen von dem Ammoniak her. Ein Kohlensäureatom besteht aus einer Gruppe von drei Atomen: eines derselben ist ein Kohlenstoffatom, die beiden anderen sind zwei Sauerstoffatome. Kein Bestandtheil einer Pflanze oder eines Thiergebildes enthält auf ein Kohlenstoffatom mehr als zwei Atome eines anderen Elements, die überwiegende Mehrzahl enthält auf ein Kohlenstoffatom weniger als zwei andere Atome.

Alle Bestandtheile der Organismen sind mehr oder weniger veränderte Kohlensäureatome oder Gruppen von Kohlensäureatomen; sie sind entstanden in der lebendigen Pflanze unter Mitwirkung des Sonnenlichtes aus der durch die Wurzeln und Blätter aufgesaugten Kohlensäure,

Empfohlene Zitierweise:
Justus von Liebig: Chemische Briefe. Leipzig und Heidelberg 1878, Seite 127. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Chemische_Briefe_Justus_von_Liebig_127.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)