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Mitwirkung organischer Verhältnisse Gas entwickele, welches bis zu 61 pCt. Sauerstoff enthalte, und dass dieses Phänomen dem Chlamidomonas pulvisculus (Ehrenberg) und einigen anderen, noch niedriger stehenden grünen und rothen Infusorien zugeschrieben werden müsse. Der Autor selbst benutzte die Gelegenheit, die ein durch verschiedene Arten Infusorien grün gefärbtes Wasser aus einem Brunnentroge seines Gartens darbot, um sich von der Richtigkeit dieser merkwürdigen Thatsache zu überzeugen; es wurde durch ein Sieb mit sehr feinen Löchern fliessen gelassen, um alle Conferven oder Pflanzentheile zurückzulassen, und in einem ganz damit angefüllten, umgekehrten Becherglase, dessen Oeffnung mit Wasser gesperrt war, dem Sonnenlichte ausgesetzt. Nach vierzehn Tagen hatten sich über dreissig Cubikzolle so reines Sauerstoffgas in dem Glase gesammelt, dass ein glimmender Holzspan sich sogleich darin wieder entflammte.

Ohne einen Schluss irgend einer Art in Hinsicht auf die Ernährungsweise dieser Wesen zu wagen, bleibt es nach diesen Beobachtungen gewiss, dass in einem Wasser, in welchem sich lebendige Infusorien unter der Einwirkung des Sonnenlichtes befinden, eine Quelle der reinsten Lebensluft sich bildet; es bleibt gewiss, dass von dem Augenblicke an, wo diese Thiere in dem Wasser wahrgenommen werden, dieses Wasser aufhört, schädlich oder nachtheilig auf höhere Thierclassen und Pflanzen zu wirken; denn es ist unmöglich, anzunehmen, dass sich reines Sauerstoffgas aus einem Wasser entwickeln kann, welches noch faulende oder verwesende Materien enthält, Stoffe also, welche die Fähigkeit haben, sich mit Sauerstoff zu verbinden.

Denken wir uns einem solchen Wasser einen in Fäulniss oder Verwesung begriffenen Thierstoff zugesetzt, so muss er in einer solchen Sauerstoffquelle in einer unendlich viel kürzeren Zeit in seine letzten Producte aufgelöst werden, als wenn diese Infusorien darin fehlten.

In den verbreitetsten Classen dieser Infusorien (den grün- und rothgefärbten) erkennen wir demnach die wunderbarste Ursache, welche aus dem Wasser alle, das Leben höherer Thierclassen vernichtende Substanzen entfernt, und an ihrem Platze Nahrungsstoff für die Pflanzen und den zur Respiration der Thiere unentbehrlichen Sauerstoff schafft.

Sie können nicht die Ursachen der Fäulniss, der Erzeugung giftiger, auf das Pflanzen- und Thierleben schädlich wirkender Producte sein, sondern ein unendlich weiser Zweck bestimmt sie, den Uebergang der Elemente faulender organischer Materien in die letzten Producte zu beschleunigen.

Unter den Pilzen und Schwämmen giebt es viele Arten, die ohne alles Licht sich entwickeln, deren Zunahme an Masse, deren Leben begleitet ist von allen Erscheinungen, die das Thierleben charakterisiren, sie verderben die Luft und machen sie unathembar, indem sie Sauerstoff absorbiren und Kohlensäure aushauchen; in chemischer Beziehung verhalten sie sich wie Thiere, denen Bewegung mangelt.

Im Gegensatz von dieser Classe von Wesen, welche kaum Pflanzen zu nennen sind, giebt es lebendige Geschöpfe, mit Bewegung begabt, die sich am Lichte wie die grünen Pflanzen verhalten, welche, indem sie sich vermehren und vergrössern, Quellen schaffen von Sauerstoff, der durch

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Justus von Liebig: Chemische Briefe. Leipzig und Heidelberg 1878, Seite 165. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Chemische_Briefe_Justus_von_Liebig_165.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)