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und Schleim nicht als wesentliche oder der Gallenflüssigkeit eigenthümliche Bestandtheile anzusehen sind; aber der bittere, im Aether unlösliche, im Alkohol und Wasser lösliche Stoff findet sich im gesunden Zustande nur in der Galle und sonst in keinem anderen Theile des Organismus, und er wird deshalb von dem Chemiker als derjenige angesehen, welcher der Galle ihren Charakter giebt, so dass unter Galle in chemischem Sinne nur dieser eine Bestandtheil gemeint wird.

Aus gleichen Gründen werden Harnsäure, Harnstoff und Allantoin, welches verwandte Verbindungen sind, in so fern Harnsäure in Harnstoff und Allantoin übergeführt werden kann, als charakteristische Bestandtheile des Harns aller Thiere angesehen, weil sich zwei oder einer davon in jedem Harn findet. Die Hippursäure oder Benzoesäure, welche Bestandtheile des Menschenharns und des Harns der Kuh und des Pferdes ausmachen, so wie das Kreatin und das Kreatinin im Menschenharn heissen wechselnde Bestandtheile, weil sie in dem Harn der Vögel und Schlangen fehlen oder wenigstens nicht aufgefunden worden sind.

Es ist bekannt, dass frisch aus der Ader gelassenes Blut in sehr kurzer Zeit, sich selbst überlassen, zu einer gallertartigen Masse gesteht, und dass dieses Gerinnen auf einer Abscheidung des Blutfibrins beruht, welches sich von der Flüssigkeit (dem Blutserum) in Gestalt einer Gallerte oder eines Netzwerks von unendlich feinen farblosen, durchscheinenden Fäden, welche die rothgefärbten Blutkörperchen einschliessen (Blutkuchen), trennt. Wird das Blut vor dem Gerinnen mit einem Stabe oder einer Ruthe gepeitscht oder geschlagen, so bildet sich kein Blutkuchen, weil das sich abscheidende Fibrin gehindert wird, sich zu einem Netzwerk zu vereinigen, die Fäden kleben zu gröberen elastischen weichen Massen zusammen, die mit reinem Wasser gewaschen, allen Blutfarbstoff verlieren und völlig weiss werden. Dieses Blutfibrin in Wasser gebracht, dem man auf die Unze einen Tropfen Salzsäure zugesetzt hat, quillt darin zu einer dicken Gallerte auf, ohne sich aufzulösen[1]; wenn die Menge Wasser nicht zu gross ist, so wird es in dem aufschwellenden Fibrin beinahe ganz wie von einem Schwamme aufgesaugt; setzt man jetzt dieser Masse concentrirte Salzsäure zu, so schrumpft das Fibrin zu seinem ursprünglichen Volum wieder ein. Legt man dieses zusammengeschrumpfte Fibrin in reines Wasser, so quillt es wie im Anfang auf und es bewirkt ein Zusatz von Salzsäure ein neues Zusammenschrumpfen. Wenn man in dieser Weise das Fibrin abwechselnd bis zehnmal behandelt, zuletzt trocknet und verbrennt, so hinterlässt es nahe an 2 p Ct. Asche, welche Eisenoxyd, Kalk und Phosphorsäure enthält. Es ist vollkommen einleuchtend, dass diese Bestandtheile dem Fibrin nicht beigemengt sind; denn sie werden in demselben von dessen anderen Elementen mit einer Kraft zurückgehalten, welche weit grösser ist, als die sehr grosse Affinität, welche die Salzsäure zu dem phosphorsauren Kalk und dem Eisenoxyde besitzt. Man betrachtet deshalb die genannten unorganischen Stoffe als wesentliche oder nothwendige Bestandtheile des Blutfibrins.

  1. In diesen Eigenschaften ist das Blutfibrin sehr verschieden von dem Fleischfibrin, einem Hauptbestandtheil des Thierkörpers, welches sich unter diesen Umständen zu einer klaren, nur durch Fetttheilchen getrübten Flüssigkeit auflöst.
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Justus von Liebig: Chemische Briefe. Leipzig und Heidelberg 1878, Seite 174. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Chemische_Briefe_Justus_von_Liebig_174.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)