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Es ist gewiss ein seltsames Resultat, dass die Menge Eis, die ein Körper schmilzt, dazu gedient hat, um in manchen Fällen die Gewichtsverhältnisse zu berichtigen und festzusetzen, in denen sich dieser Körper mit anderen verbindet.

Noch viel sonderbarer mag es aber Vielen erscheinen, dass diese Eigenschaft (Wärme aufzunehmen oder abzugeben) bei den luftförmigen Körpern in einer ganz bestimmten Beziehung steht zu dem Tone einer Pfeife oder Flöte, welcher durch Einblasen des Gases hervorgebracht wird, so zwar, dass ein berühmter Naturforscher (Dulong) aus dem ungleichen Tone die Menge der Wärme beziehungsweise festzusetzen vermochte, welche bei constantem Volumen die Gase beim Zusammenpressen entlassen oder bei ihrer Ausdehnung verschlucken.

Um eine klare Einsicht in diesen merkwürdigen Zusammenhang zu haben, muss man sich einen der schönsten Gedanken von La Place, hinsichtlich des Zusammenhangs der specifischen Wärme der Gase mit ihrem Fortpflanzungsvermögen des Schalles, erinnern. Es ist bekannt, dass Newton und viele auf ihn folgende Mathematiker vergebens versuchten, eine der Beobachtung entsprechende Formel für die Geschwindigkeit des Schalles aufzustellen. Das Berechnete war dem Resultate der Beobachtung nahe; allein es zeigte sich stets ein unerklärbarer Unterschied. Da nun die Verbreitung des Schalles durch das Vibriren der elastischen Lufttheilchen, in Folge also eines Zusammenpressens und einer darauf folgenden Ausdehnung derselben geschieht, und bei dem Zusammenpressen der Luft Wärme frei, und bei der Wiederausdehnung Wärme verschluckt wird, so vermuthete La Place, dass dieses Wärmephänomen einen Einfluss auf die Fortleitung des Schalles haben müsse, und es zeigte sich in der That, dass nach in Rechnungstellung der specifischen Wärme der Luft die Formel des Mathematikers frei von allen Fehlern und ein genauer Ausdruck für die beobachtete Geschwindigkeit war.

Wenn man nun die Geschwindigkeit des Schalles nach der Newton’schen Formel (also ohne Rücksicht auf die specifische Wärme der Luft) berechnet und sie mit der Formel von La Place vergleicht, so ergiebt sich zwischen beiden ein Unterschied in der Länge des Raumes, den eine Schallwelle in einer Secunde in beiden Fällen zurücklegt. Dieser Unterschied rührt von der specifischen Wärme der Luft, von der Wärmemenge her, die bei der Fortpflanzung des Schalles aus den in Bewegung gesetzten Lufttheilchen frei wird. Es ist nun klar, dass dieser Unterschied in der Fortpflanzungsgeschwindigkeit des Schalles in anderen Gasen, die bei gleichem Volumen mehr oder weniger Wärme als die Luft enthalten und durch den Druck entlassen, grösser oder kleiner ausfallen wird, als für die Luft, und es ist somit leicht ersichtlich, wie die Zahlen, welche diese ungleiche Fortpflanzungsgeschwindigkeit des Schalles in verschiedenen Gasen ausdrücken, zu gleicher Zeit ein Maass abgeben für die ungleichen Wärmemengen, die sie enthalten.

Da nun die Höhe oder Tiefe des Tones von der Anzahl der Vibrationen einer Schallwelle in einer Secunde, also von der Geschwindigkeit abhängig ist, mit welcher sich die eingetretene Bewegung fortpflanzt, und man weiss, dass in allen Gasen die Fortpflanzungsgeschwindigkeit

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Justus von Liebig: Chemische Briefe. Leipzig und Heidelberg 1878, Seite 211. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Chemische_Briefe_Justus_von_Liebig_211.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)