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ausgemittelten Kohlensäure und dem verschwundenen Sauerstoff entsprechende Menge Sauerstoffgas durch Verbrennung von Kohlenstoff und Wasserstoff in demselben in eben so viel Kohlensäure und Wasser übergeführt hätte, und die Frage nach dem Ursprung der thierischen Wärme ist damit in befriedigender Weise gelöst.



Neunundzwanzigster Brief.


In meinem letzten Briefe habe ich es versucht, Ihnen einige Aufklärungen über die einfachen und doch so wunderbaren Functionen zu geben, welche der Sauerstoff der Atmosphäre in dem thierischen Organismus erfüllt; gestatten Sie mir heute, einige Bemerkungen über die Materien, welche den Mechanismus desselben im Gange zu erhalten bestimmt sind, über die Nahrungsmittel, hinzuzufügen.

Wenn die Zunahme an Masse in dem thierischen Körper, die Ausbildung seiner Organe und ihre Reproduction aus dem Blute, d. h. aus den Bestandtheilen desselben geschieht, so können nur solche Materien zu diesen Zwecken dienen, welche die Elemente des Blutes in der geeigneten Form und Beschaffenheit enthalten, um zu Blut zu werden.

Das Blut enthält 79 bis 80 Procent Wasser und 20 bis 21 feste Bestandtheile, von welchen 1¼ bis 1½ Procent unverbrennlich sind und nach der Einäscherung als Blutasche zurückbleiben. Der Blutkuchen enthält die Blutkörperchen eingeschlossen von Blutfibrin, welches letztere seiner Menge nach nicht mehr als 3/10 Procent des ganzen Blutes ausmacht. Die Blutkörperchen enthalten den Farbstoff des Blutes, ausgezeichnet durch seinen nie fehlenden starken Eisengehalt; sie enthalten ferner den Hauptbestandtheil des Blutserums, das Blutalbumin, welchem die Blutflüssigkeit alle Eigenschaften des Weissen des Hühnereis verdankt. Das Blut gerinnt wie das Eiweiss in der Hitze; dieser gerinnende Bestandtheil ist das Blutalbumin.

Die Hälfte der unverbrennlichen Bestandtheile des Blutes besteht aus Kochsalz; ausser diesem finden sich theils in Auflösung in dem Blutserum, theils in chemischer Verbindung mit den verbrennlichen Bestandtheilen des Blutes, Kalk, Bittererde, Kali, Natron, Phosphorsäure und Kohlensäure. Rechnet man das Kochsalz ab, so macht das Eisenoxyd 17 bis 20 Procent der ganzen Blutasche aus. Ausser den genannten Körpern enthält das Blut noch einige fette Substanzen, unter denen mehrere sich von den gewöhnlichen Fetten durch verschiedene Eigenschaften unterscheiden.

Die hohe Bedeutung des Albumins für den thierischen Lebensprocess drängt sich unwiderstehlich auf, wenn man sich an die Entwickelung des jungen Thieres im Hühnerei erinnert. Das Albumin des Weissen und Dotters im Hühnerei enthält Schwefel und Stickstoff, wie das Blutalbumin, beide enthalten auf 1 Aeq. Stickstoff 8 Aeq. Kohlenstoff und ausser diesen die Elemente des Wassers in demselben relativen Verhältniss;

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Justus von Liebig: Chemische Briefe. Leipzig und Heidelberg 1878, Seite 237. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Chemische_Briefe_Justus_von_Liebig_237.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)