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von Fett aber die Grenze hinaus, in welcher es der Thierkörper zur Vermittelung der plastischen Processe bedarf, oder die Ablagerung von Fett in der Mästung ist stets die Folge eines Missverhältnisses in dem Athmungs- und Ernährungsprocess, und eher ein Zeichen eines krankhaften als eines normal gesunden Zustandes.

Die Natur hat die stickstofffreien Nahrungsmittel zur Unterhaltung der Wärmequelle im Thierkörper bestimmt, und alle Nahrung finden wir auf’s weiseste für diesen Zweck gemischt; sie hat den Organismus mit dem Vermögen begabt, eine Störung der Lebensfunctionen durch Anhäufung von verbrennlichen Substanzen im Blute auf ein Minimum von Schädlichkeit zurückzuführen; indem diese Stoffe in Fett umgewandelt, vom Blute abgesondert und ausserhalb des Blutgefässsystems, geeignet für eine künftige Verwendung, abgelagert werden, behält das Blut seine normale Mischung. Durch die Abscheidung der verbrennlichen Elemente wird dem Mangel an dem für andere vitale Zwecke unentbehrlichen Sauerstoff im Blute vorgebeugt und ein Gleichgewichtszustand hergestellt.

Die Thatsache, dass auch die plastischen Nahrungsmittel in gewissen Zersetzungsprocessen, wie in der Fäulniss, beinahe gerade auf in Ammoniak und fette Säuren (Buttersäure und Valeriansäure) zerfallen, schliesst die Meinung nicht aus, dass auch diese Materien zur Erzeugung von Fett im Thierorganismus unter gewissen Umständen dienen können. Bedeutungsvoll für die Fettbildung im lebendigen Körper scheint es jedenfalls zu sein, dass die Bildung von fetten Säuren, von Buttersäure z. B., aus stickstofffreien Materien ausserhalb des Körpers nur durch solche Fermente bewerkstelligt werden kann, deren Elemente sich im Zustande der Buttersäurebildung selbst befinden, und es ist nicht ganz unwahrscheinlich, dass auch in dem lebendigen Körper zwischen den plastischen und stickstofffreien Stoffen in der Fettbildung eine ähnliche Beziehung besteht.

Gleiche Gewichte der verschiedenen Respirationsmittel enthalten höchst ungleiche Mengen von brennbaren Elementen, wie folgende Uebersicht anschaulich macht:

Traubenzucker. Rohrzucker. Stärkmehl. Alkohol.
Kohlenstoff 40,00 42,10 44,44 52,18
Wasserstoff 6,66 6,43 6,17 13,04
Sauerstoff 53,34 51,47 49,39 34,78
100,00 100,00 100,00 100,00

Der Kohlenstoff- und Wasserstoffgehalt der fetten Körper ist weit grösser; Olivenöl z. B. enthält 77 Procent, Schweineschmalz und Hammelstalg 79 Procent Kohlenstoff und 11 bis 12 Procent Wasserstoff, alle anderen Fette haben eine zwischen diesen beiden stehende Zusammensetzung.

Da nun die Fähigkeit dieser Körper, durch ihre Verbindung mit dem Sauerstoff Wärme zu entwickeln, abhängig ist von der Menge von brennbaren Elementen, die sie in gleichen Gewichten enthalten, und die Menge des zu ihrer Verbrennung nöthigen Sauerstoffs in demselben Verhältnisse wie diese steigt, so lässt sich ihr relativer Wärmeerzeugungswerth oder Respirationswerth annäherungsweise leicht berechnen. Die folgende Tabelle enthält die verschiedenen Respirationsmittel in einer Reihe geordnet; die Zahlen drücken aus, wie viel dem Verhältniss nach

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Justus von Liebig: Chemische Briefe. Leipzig und Heidelberg 1878, Seite 259. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Chemische_Briefe_Justus_von_Liebig_259.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)