Seite:De Chemische Briefe Justus von Liebig 292.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.


umgewandelt werden. Es lässt sich diesem Verlust vorbeugen (was mit Erfolg versucht worden ist), wenn die Salzlake bis zum Auskrystallisiren des Kochsalzes abgedampft und die rückständige syrupdicke Mutterlauge (welche eine sehr concentrirte Auflösung von Fleischextract darstellt) nach dem Garkochen des Salzfleisches diesem zugesetzt und mit genossen wird. Es ist natürlich bequemer, obwohl kostbarer, dem Salzfleisch die entzogenen Bestandtheile des Fleischsaftes in Form von reinem Fleischextract zuzusetzen.

Das Fleisch enthält in seiner Mischung gewisse allgemeine Bedingungen der Verdauung und Ernährung, in denen ihm andere thierische oder vegetabilische Nahrungsmittel gleichen; durch das Fleischfibrin und Fleischalbumin besitzt es einen bestimmten Werth für die Erzeugung des Blutalbumins und -Fibrins, in dem Fett einen Werth für die Wärmebildung und in den Salzen einen Werth für die Vorgänge der Blut- und Wärmebildung und der Secretionsprocesse; ausser diesen besitzt das Fleisch in den so merkwürdigen Bestandtheilen des Fleischsaftes einen besonderen Werth für Vorgänge höherer Art, durch welche es sich von allen anderen, namentlich vegetabilischen Nahrungsmitteln unterscheidet.

Nicht alle Fleischsorten sind sich in diesen verschiedenen Werthen gleich. Das Kalbfleisch ist z. B. in Beziehung auf das Verhältniss der darin enthaltenen Salze grundverschieden von dem Rindfleisch; die Menge der Aschen von beiden Fleischsorten ist zwar nahezu gleich, aber das Rindfleisch ist weit reicher an Alkalien. Unter den unverbrennlichen Bestandtheilen des Kalbfleisches[1] befinden sich über 15 Procent mehr Phosphorsäure, als zur Hervorbringung eines alkalischen Salzes dieser Säure gehört; es enthält verhältnissmässig wenig von dem eigentlichen leicht verdaulichen Fleischfibrin; die grösste Masse der Kalbfleischfaser besteht aus einer dem Blutfibrin ähnlichen Substanz, die in salzsäurehaltigem Wasser aufquillt ohne sich zu lösen; es ist reich an löslichem Bindegewebe und in der Regel arm an Fett.

Sehr wesentlich unterscheidet sich ferner das Kalbfleisch von dem rothen Fleisch, dem Rindfleisch z. B., durch seinen weit kleineren Eisengehalt.

Unter den unorganischen Substanzen macht das Eisen im oxydirten Zustande einen Hauptbestandtheil des Blutes aus, es beträgt (nach Abzug des Kochsalzes) über 20 Procent der ganzen Blutasche (von Menschen-, Ochsen-, Schaf- etc. Blut) und die Beständigkeit des Vorkommens, so wie die so grosse Quantität von Eisen im Blute deuten den hohen Werth, den es für die vitalen Processe besitzen muss, hinlänglich an.

  1. Kalbfleisch-Asche, Analyse von Staffel (nach Abzug des Kochsalzes):
    Phosphorsaures Kali 68,05 PO52MO 73,71
    Phosphorsaures Natron 5,66
    Phosphorsaurer Kalk 3,72 9,97
    Phosphorsaure Bittererde 6,24
    Freie Phosphorsäure 15,10
    Eisenoxyd 0,30
    Kieselerde 0,92
    100,99

    Die Rindfleischasche enthält nach Staffel 1,06 Eisenoxyd.

Empfohlene Zitierweise:
Justus von Liebig: Chemische Briefe. Leipzig und Heidelberg 1878, Seite 292. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Chemische_Briefe_Justus_von_Liebig_292.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)