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der Ernährungswerth der getrockneten (Stockfisch) und gesalzenen Fische, welche vor dem Genusse gewässert und ausgelaugt werden müssen[1].

In vielen Theilen Deutschlands wässert man den Stockfisch mit Kalkwasser, und es hat der Instinct darin das von der Wissenschaft gebotene Mittel gefunden, um einen grossen Theil der Phosphorsäure in der Form von Knochenerde in der Speise zu behalten, so wie denn dieser untrügliche Rathgeber der Menschen und Thiere dem Mangel des Kalbfleisches, der Fische, der Eier an Alkalien durch Zugabe von grünen Gemüsen, Kartoffeln, Salat zu begegnen gelehrt hat. Die Küchenkräuter füllen in dieser Beziehung viele Lücken aus; die Quantität von Salzen, von alkalischen Erden und Alkalien, welche manche Küchengewächse enthalten, erregt Erstaunen; der Sellerie enthält 16 bis 20 Procent, der gewöhnliche Schnittsalat 23 bis 24 Procent, der Rosenkohl (Kohlknospen) bis 10 Procent der trockenen Pflanze an Aschenbestandtheilen.

Um zu einem klaren Begriff des Ernährungswerthes des Käsestoffs, Blutfibrins und der leimgebenden Gebilde zu gelangen, ist es nöthig, von einem höheren Gesichtspunkte aus ihre Zusammensetzung in’s Auge zu fassen.

Ordnet man die Bestandtheile des thierischen Körpers, welche seine Hauptmasse ausmachen, so wie den Käsestoff und die Endproducte des Stoffwechsels nach ihrem Stickstoffgehalte und dem Verhältnisse desselben zu dem Kohlenstoff, und stellt diejenigen voran, welche die kleinste Menge Stickstoff enthalten, so hat man folgende Reihe:

Aeq. Aeq.
1. Blutalbumin enthält 1 Stickstoff auf 8 Kohlenstoff
2. Fleischalbumin " 1 " " 8 "
3. Eieralbumin " 1 " " 8 "
4. Fleischfibrin " 1 " " 8 "
5. Casein (Käsestoff) " 1 " " 8 "
6. Chondrin " 1 " " 8 "
7. Blutfibrin " 1 " " 7 3/7 "
8. Horngebilde und Haare " 1 " " 7 "
9. Leimgewebe, Membranen " 1 " " 6⅓ "
10. Inosinsäure " 1 " " 5 "
11. Glycocoll " 1 " " 4 "
12. Kreatin und Kreatinin " 1 " " 2⅔ "
13. Harnsäure " 1 " " "
14. Allantoin " 1 " " 2 "
15. Harnstoff [2] " 1 " " 1 "
  1. Asche des Stockfischfleisches mit Kalkwasser gewässert und ausgelaugt:
    (Zedeler.)
    Phosphorsäure 16,775
    Natron 4,259
    Kali 3,700
    Kalk 40,218
    Magnesia 3,272
    Eisenoxyd 0,537
    Schwefelsäure 1,643
    Kohlensäure 13,555
    Kochsalz 15,112
    99,071

    100 Theile des trockenen Fleisches hinterliessen 7,25 Procent Asche.

  2. Von den in dieser Reihe aufgeführten Stoffen ist das Albumin des Blutes, der Eier und des Fleisches so wie das Casein der Milch häufig ja diesen Briefen schon erwähnt. Das Chondrin ist die organische Substanz der Knochen der Thiere vor der Ossification, es ist der Leimsubstanz in vielen Eigenschaften ähnlich, aber in seiner Zusammensetzung wesentlich davon abweichend. Das Glycocoll ist durch seine Eigenschaften sehr merkwürdig; obwohl weder sauer noch alkalisch, spielt es dennoch die Rolle einer Säure und einer Basis; es kann aus Leimsubstanz, Chlorsäure und Hippursäure dargestellt und als Paarling dieser Verbindungen betrachtet werden; die Cholsäure ist ein Hauptbestandtheil der Galle, die Hippursäure, Harnsäure, Allantoin und Harnstoff sind Bestandtheile des Harns. Die Hornsubstanz ist keine einfache Verbindung; wenn man Hornspäne mit Wasser bedeckt an einen warmen Ort stellt, so gehen sie in Fäulniss über und die Substanz derselben zerfällt in zwei Producte, wovon das eine Aehnlichkeit mit Käsestoff, das andere mit Albumin hat; sie weichen aber beide in ihrer Zusammensetzung davon ab.
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Justus von Liebig: Chemische Briefe. Leipzig und Heidelberg 1878, Seite 294. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Chemische_Briefe_Justus_von_Liebig_294.jpg&oldid=- (Version vom 11.5.2020)